Letzte Bootsfahrt
du da auch den Beda wieder?“ Der Beda, das war der mit dem Joint auf Gasperlmaiers Terrasse. „Ja“, sagte die Christine und legte eine Hand auf die Gasperlmaiers, „den treffe ich auch. Und die Brigitte, und den Max, und die Maria und den Herbert. Alle sechs werden wir wieder einmal beisammen sein.“
Gasperlmaier hörte einige der Namen heute zum ersten Mal. Von einer Maria war schon gelegentlich die Rede gewesen, die Christine telefonierte öfters mit ihr, aber die anderen Namen sagten ihm im Moment gar nichts. Doch, halt: Eine Brigitte war einmal zu Besuch gewesen, aber das war schon Jahre her. Er seufzte. Das konnte ja ein heiteres Wochenende werden. Und wie er die Christine kannte, würde sie sicher nicht begeistert sein, wenn er alle zehn Minuten unter irgendeinem Vorwand auf ihrem Handy anrief. Wirklich, dieser Tag hatte es in sich. Das einzig Positive war eigentlich, dass er die Frau Doktor wiedergesehen hatte. Und jetzt, wo ihn die Christine sowieso am Wochenende verlassen wollte, konnte er sich der Frau Doktor ja eigentlich ein bisschen ausgiebiger widmen, dachte er verstimmt.
Beim Frühstück am nächsten Tag sah er die Dinge allerdings schon wieder etwas anders, denn er hatte sich mit dem Gedanken, dass ihn die Christine für das Wochenende verlassen würde, schon ein wenig vertraut machen können. „Sag einmal“, fragte er sie, an seiner Marmeladesemmel kauend, „hast du schon einmal von energetisiertem Wasser gehört? Ich meine, wo die Leute ein paar Edelsteine ins Wasser schmeißen, und dann gibt es Schwingungen, und die werden dann in den Körper übertragen, wenn man es trinkt.“ Der Christoph mischte sich gleich ein, obwohl er überhaupt nicht gefragt war. „Pah, Papa, wo hast du denn den Blödsinn her?“ Der Christoph war in letzter Zeit ein wenig unangenehm geworden, manchmal gebärdete er sich als Experte für alles und jedes, wusste alles besser als seine Eltern und tat Einwände auf eine ziemlich rechthaberische Weise ab. Gasperlmaier gefiel das gar nicht. Er war schließlich erst beim Zivildienst, hatte kaum eigenes Geld verdient und im Leben noch nicht gezeigt, dass er wirklich was leisten konnte außer großspurig daherzureden.
„Natürlich hab ich schon davon gehört“, meinte die Christine, „die Magazine und Fernsehsendungen sind ja voll von diesen esoterischen Ratschlägen. Ich glaub, das ist nur ein gutes Geschäft für die, die die Steine verkaufen, denn davon, dass man irgendeine positive Wirkung nachweisen kann, hab ich noch nie was gehört.“ Gasperlmaier musste an die Frau Breitwieser denken, die ihm für einen solchen Stein gleich zwanzig Euro als Energieausgleich hatte abknöpfen wollen.
„Und was ist mit Chakren? Hast du davon auch schon gehört?“ Der Christoph schüttelte nur den Kopf und grunzte verächtlich. „Na ja“, sagte die Christine, „das kommt aus der indischen oder asiatischen Medizin. Da steckt schon was dahinter, aber bei uns wird das ja alles viel zu sehr vereinfacht und verblödelt. In Wirklichkeit steckt da eine ganze Lebensweise, eine Philosophie dahinter, bei uns werden einzelne Elemente rausgerissen, falsch verstanden und möglichst gewinnbringend vermarktet. Da kommt nicht viel dabei heraus.“ Gasperlmaier bewunderte die Christine für ihre Kenntnisse und ihr sicheres Urteilsvermögen.
Als der Christoph gegangen war, musste er der Christine noch schnell von dem gestrigen Mord und vor allem von der verrückten Frau Breitwieser erzählen. „Breitwieser, sagst du? Das ist doch der Immobilienmensch, der sich da hinten am See Grundstücke in Bauland umwidmen lassen wollte. Da hat es doch eh endlose Debatten gegeben, weil er über prominente Bekannte Druck ausüben hat wollen. Auf der Gemeinde haben sie schon gar nicht mehr gewusst, was tun, vor lauter Interventionen.“ Gasperlmaier hatte davon wenig bis gar nichts mitbekommen, nur dumpf erinnerte er sich an einen Streit dieser Art, von dem am Stammtisch ein paarmal die Rede gewesen war. Der Friedrich hatte ja auch davon gesprochen, und erst jetzt dämmerte Gasperlmaier, was er gemeint hatte. Die Christine deutete sein Schweigen richtig. „Aber du interessierst dich ja für politische Fragen nicht, du bist da viel zu teilnahmslos und unengagiert.“
Gasperlmaier fühlte sich ertappt, wollte aber trotzdem aus der Christine noch ein wenig mehr herausholen. „Und, wird jetzt etwas gebaut?“ „Natürlich nicht. Außer der angeblichen Jagdhütte, die man eh von überall sieht. Da
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