Letzte Bootsfahrt
ansteckend. Und wenn die Katharina lesbisch ist, dann ist sie es, und wenn nicht, dann nicht. Und du darfst jetzt auf keinen Fall ein großes Theater darum machen. Du musst sie einfach akzeptieren, wie sie ist. Vor allem, damit das mit ihrer Esserei nicht noch schlimmer wird. Das kann ja auch davon kommen, dass sie sich mit ihrer Rolle als fast erwachsene Frau nicht zurechtfindet.“ Gasperlmaier würgte den bereits erkalteten Bissen hinunter. Das war ihm alles viel zu kompliziert. Männer, so dachte er bei sich, waren doch in der Regel viel einfacher gestrickt. Wenn man ihnen regelmäßig gutes Essen vorsetzte, ihnen das eine oder andere Bier erlaubte und dann und wann eine leidenschaftliche Nacht in Aussicht stand, waren sie in der Regel zufrieden und verlangten nicht mehr. Bei Frauen schien das mit der Zufriedenheit nicht so einfach zu bewerkstelligen zu sein. Die Sache mit seiner Mutter, dachte er, hatte am Ende auch mit Sex und Zufriedenheit zu tun, irgendwie.
„Ich muss dich noch was wegen der Mutter fragen“, sagte er deshalb, „die Katharina ist nämlich nicht die Einzige, die uns Schwierigkeiten macht.“ Und er versuchte, die Christine über das ungewöhnliche Verhalten seiner Mutter und ihr nicht eben alltägliches Vorhaben heute Abend ins Bild zu setzen. „Und mir erzählst du, sie hat Kopfweh!“, schmunzelte die Christine, denn Gasperlmaier hatte keine Lust auf eine Debatte vor dem Essen verspürt und deswegen zu einer kleinen Notlüge gegriffen. „Vergönnst du deiner Mama nicht, dass sie auch einmal ein bisschen Spaß hat? Sie war doch so lang allein! Und jetzt ist die Voglreiter Friedl auch noch gestorben, mit der sie wenigstens hie und da was unternommen hat!“
Von dieser Seite hatte Gasperlmaier die Sache noch gar nicht betrachtet. Dass sie Spaß haben wollte, und das mit einem Mann, auf die Idee wäre Gasperlmaier selber nicht gekommen. Weil ihm nicht einfiel, was er erwidern hätte sollen, trank er langsam sein Bier aus. „Es ist nur“, meinte er dann doch, „dass ich mir ein bisschen Sorgen mache, dass er sie ausnutzt, irgendwie.“ Die Christine lachte. „So, wie ich deine Mutter kenne, steht die mit beiden Füßen fest auf der Erde. Die lässt sich nicht ausnutzen. Von dir nicht, von mir nicht, und von ihrem neuen Verehrer schon gar nicht. Vertraust du deiner Mutter denn nicht?“
Gasperlmaier hatte das Gefühl, dass ihn die Christine nicht ganz verstand. Unruhig wetzte er auf seinem Sitz hin und her, weil er nicht recht wusste, wie er seine Bedenken richtig formulieren sollte. „Die Mama, in ihrem Alter!“, sagte er, „ich kenn sie so gar nicht, dass sie so mit einem Mann …“, Gasperlmaier stockte, die Christine aber wartete geduldig, dass er seinen Satz zu Ende brachte, „ … herumtut!“, schloss Gasperlmaier schließlich, und wieder lachte die Christine. Er fragte sich, ob seine Bedenken wirklich so lächerlich waren.
Die Katharina polterte die Stiege herunter. „Ich bin dann weg!“, rief sie ihnen aus dem Vorzimmer zu, ohne dass sie sie noch einmal zu Gesicht bekamen. „Gasperlmaier“, sagte die Christine, „ich hab das Gefühl, du hast Angst, dass deine Mutter verliebt sein könnte und dass sie mit ihrem Verehrer ins Bett geht.“ Entsetzt versuchte Gasperlmaier das Bild zu verdrängen, das sich vor seinem inneren Auge auftat, seine Mutter in leidenschaftlicher Umarmung mit dem Doktor Schwaiger. Ohne dass er etwas dagegen zu tun vermochte, sah er den faltigen Hintern des Doktor Schwaiger, wie er sich über der Mutter bewegte. Gasperlmaier wurde übel. Er stand auf, holte einen Obstler und zwei Stamperl aus der Vitrine, schenkte ein und trank sein Stamperl gleich in einem Zug aus. Das Bild verblasste. Langsam. Wahrscheinlich, so dachte er bei sich, war es das gewesen. Er konnte und wollte sich seine Mutter weder im Zustand der Verliebtheit noch beim … Gasperlmaier schenkte sich ein weiteres Stamperl ein. Die Christine lächelte verschmitzt, und Gasperlmaier hegte den Verdacht, dass sie ganz genau wusste, was für Gedanken ihm durch den Kopf gingen.
7
„Guten Morgen, Gasperlmaier!“ Verdattert zuckte Gasperlmaier zurück, nachdem er die Haustür geöffnet hatte. Die Frau Doktor Kohlross stand, heute wieder einmal in einem ihrer entzückenden Kostüme, vor der Tür. Pfirsichfarben war es diesmal, mit dazu passenden Stöckelschuhen. Gasperlmeier beeilte sich, sein Hemd in die Hose zu stecken. „Lassen Sie mich nicht hinein?“ So früh am Morgen so schnell
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