Letzte Bootsfahrt
zu reagieren, das war seine Sache nicht. „Guten Morgen!“, brummte er nun endlich, zog sich ins Vorhaus zurück und bat die Frau Doktor mit einer unbestimmten Geste, ihm zu folgen.
„Eine Faserprobe, Gasperlmaier!“ Dem schoss das Blut in die Ohren. Hatte er irgendwas angestellt? Eine Leiche unsachgemäß behandelt, wie es schon einmal vorgekommen war? Was für eine Faser meinte die Frau Doktor? Wollte sie ihm ein Stück Haut abziehen?
„Morgen, Frau Doktor. Ich muss mich leider beeilen, bin schon spät dran!“ Die Christine reichte der Frau Doktor lächelnd die Hand, drückte Gasperlmaier einen Kuss auf die Wange und war schon durch die Haustür verschwunden. Man konnte noch hören, wie das Garagentor quietschte, als sie es hochschob, um ihr Fahrrad herauszuholen.
„Eine Faserprobe von Ihrer Anzughose, Gasperlmaier. Sie haben sich doch über die Leiche gebeugt. Und wir haben an der Kleidung des Herrn Breitwieser Faseranhaftungen gefunden, vermutlich von einem grauen Anzug. Möglicherweise Trachtenanzug.“ Da, so dachte Gasperlmaier bei sich, konnten sie hier herinnen in Altaussee lange suchen. So einen Anzug besaß hier sicher jeder Zweite. Mindestens. „Den Anzug vom Herrn Holzig haben wir schon. Und in seinem …“, die Frau Doktor zögerte ein wenig, „ … Nachtlokal in Ischl sind meine Leute schon auf der Suche nach den Anzughosen der dort tätigen Herren.“
Gasperlmaier entschuldigte sich, um seine Hose aus dem Schlafzimmer zu holen, denn die Frau Doktor selber in seinem Kasten stöbern zu lassen, das wäre ihm zu peinlich gewesen. Die Frau Doktor zupfte ein paar Fasern aus seiner Hose und verstaute sie sorgfältig in einem kleinen Plastikbeutel. „Hat man was anderes auch noch gefunden, am Herrn Breitwieser, meine ich?“ „Ja, natürlich, heutzutage findet sich alles Mögliche. Von Urinkristallen über Hautschuppen, Speichelspuren, Schweißflecken – was Sie wollen. Und das alles können wir natürlich einer Person zuordnen, wenn wir eine Vergleichsprobe haben. Deswegen, Gasperlmaier, Mund auf!“ Gasperlmaier erschrak, als die Frau Doktor einen Latexhandschuh überzog und ein Wattestäbchen aus ihrer Tasche hervorzauberte. Folgsam öffnete Gasperlmaier den Mund, worauf die Frau Doktor mit dem Stäbchen innen an seiner Wange entlangfuhr und es in einem kleinen Kunststoffröhrchen verschwinden ließ. Das, fand Gasperlmaier, hätte er selber auch machen können, denn es war ihm ein wenig peinlich, dass die Frau Doktor in seinen Mund hineinstarrte, wo am Ende noch einige Reste des Frühstücks zwischen den von zahlreichen Plomben gezierten Zähnen klemmten.
„Das mit dem Herrn Holzig war eine ziemlich mühsame Recherche“, eröffnete die Frau Doktor Gasperlmaier, als sie endlich im Auto saßen. „Er hat sich in diesem ganzen Rotlichtgeschäft anscheinend selber nie die Finger schmutzig gemacht. Nicht einmal eine Anzeige gegen ihn persönlich haben wir. Keine Raufhändel, keine Gewalttaten, keine Vorstrafen. Ein Unschuldslamm, wie ich es in diesem Gewerbe noch nie erlebt habe.“ Insgeheim hatte Gasperlmaier gehofft, sie würden heute vielleicht das Etablissement des Herrn Holzig in Ischl aufsuchen. Nicht, dass er an erotischen Dienstleistungen interessiert gewesen wäre, da war ihm seine Christine mehr als genug, aber er war dennoch neugierig, wie es in einem solchen Haus aussehen und zugehen mochte. Er hatte keines je betreten, denn in seinem Wirkungsbereich im Ausseerland hatte er noch nie Gelegenheit zu einer Amtshandlung im Rotlichtmilieu gehabt.
„Wir haben jetzt zwei Projekte, Gasperlmaier. Wir suchen zuerst die Frau Dunkl auf, Sie erinnern sich, das ist die zweite Ausseerin im erleuchteten Kreis Avalon. Und dann kümmern wir uns um die dreihunderttausend Euro, von denen wir noch keine Spur gefunden haben. Wer weiß, vielleicht hat uns der Herr Holzig da ja auch einen Bären aufgebunden.“ Gasperlmaier konnte sich nicht vorstellen, warum ein schwerreicher Ölhändler und Nachtclubbesitzer plötzlich, nach dem Mord an einem Geschäftspartner, erfinden sollte, dass der ihm einen Haufen Geld schuldete. Damit hätte er sich doch freiwillig ins Visier der Ermittlungen begeben. Gasperlmaier behielt seine Gedanken jedoch für sich. Wenn er der Frau Doktor widersprach, geriet er immer wieder in Argumentationsnöte, und das wollte er vermeiden.
„Die Frau Dunkl arbeitet in der Therme“, erklärte ihm die Frau Doktor, als sie vor dem schon ein wenig in die Jahre gekommenen
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