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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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warum er denn persönlich bei seiner Mutter vorsprechen sollte. Die Christine erklärte ihm, dass sie schon mehrmals versucht hatte, ihre Schwiegermutter zu erreichen, die sich aber nicht gemeldet habe. Handy besaß sie zwar eines, sie benutzte es aber nie. Es lag stets ausgeschaltet und unaufgeladen neben ihrem Festnetztelefon. Als sie es bekommen hatte, hatte sie immer wieder über das Festnetz angerufen, weil sie mit dem Handy nicht zurechtkam. Der Christoph und die Katharina waren mehrmals, zunächst guten Willens, zur Oma hinübergefahren, um ihr das Gerät zu erklären, hatten aber nach ein paar Wochen entnervt aufgegeben und sich geweigert, sie weiterhin zu unterweisen.
    „Vielleicht ist was mit ihr, schau halt bitte einmal nach!“, sagte die Christine, und eh er sich versah, stand Gasperlmaier zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde allein am Straßenrand, von einer Frau quasi aus dem Auto hinausgeworfen. Als er sich umdrehte, um zu seiner Mutter ins Haus zu gelangen, erschrak er. In der engen Einfahrt stand eine gewaltige schwarze Limousine, die in völligem Missverhältnis zum bescheidenen Vorgarten der Gretl Gasperlmaier stand. Gasperlmaier beäugte den Wagen und stellte fest, dass es sich um einen BMW handelte. Kein Schriftzug auf dem Heck verriet mehr über die Type, ein Wiener Nummernschild jedoch die Herkunft des Besitzers.
    Entschlossen öffnete Gasperlmaier die Haustür. Wer hatte sich da bei seiner Mutter eingeschlichen und sich mit so einem protzigen Auto bei ihr breitgemacht? „Mama!“, rief er, ohne dass er eine Antwort erhielt. Aus dem Wohnzimmer allerdings hörte er Stimmen. Er öffnete die Wohnzimmertür und war nicht nur überrascht, sondern auch peinlich berührt. Mit dem Rücken zu ihm saß ein Mann im schwarzen Anzug, ihm gegenüber seine Mutter, die etwas entrückt dreinschaute und ein halbleeres Sektglas in der Hand hielt. Kurz sah sie zu Gasperlmaier auf. „Grüß dich, Franzl! Magst einen Sekt mit uns trinken?“ Der Herr erhob sich und schüttelte Gasperlmaier die Hand. „Gestatten, Doktor Schwaiger. Wir sind uns ja schon begegnet. Ich habe mir erlaubt, Ihre Frau Mutter heute zum Essen einzuladen. Sie hat mich mit einem Aperitif überrascht.“
    Gasperlmaier erinnerte sich an das gestrige Be­gräbnis. Schon dort hatte sie sich mit dem Herrn Doktor Schwaiger für seine Begriffe viel zu gut unterhalten. Er wedelte mit den Händen, als seine Mutter Anstalten machte, ein drittes Sektglas aus der Vitrine zu holen. „Nein, Mama, jetzt nicht. Ich muss auch gleich nach Hause.“ Gasperlmaier wusste mit der Situation nicht umzugehen. Seine Mutter kam ihm fremd vor, sie war in Gegenwart von Doktor Schwaiger so völlig anders, als er sie kannte. „Aber du kommst doch heute zu uns zum Essen, Mama?“, versuchte er einzuwenden. „Weil die Christine doch am Wochenende weg ist, da haben wir uns gedacht …“
    Die Mutter erhob sich, kam um den Tisch herum und zupfte an Gasperlmaiers Kragen. Dass sie das einfach nicht lassen konnte. „Lieb von euch, aber wie du siehst, hab ich heute schon eine Einladung. Ihr werdet’s verschmerzen. Ich komm dann vielleicht einmal am Wochenende.“ „Aber, aber, am Wochenende“, war Gasperlmaier verdattert, „da bin ich ja allein, mit den Kindern!“ „Macht ja nichts!“, lächelte die Mutter. „Dann koch halt ich für euch. Oder du lädst mich ins Gasthaus ein. Und jetzt“, sie drückte Gasperlmaier ein Küsschen auf die Wange, „muss ich dich leider heimschicken. Wir sind nämlich praktisch schon auf dem Sprung. Alte Leute sollen nicht so spät essen, du weißt ja.“
    Einigermaßen verblüfft stand Gasperlmaier wenige Sekunden später vor der Tür seines Elternhauses und wusste gar nicht, wie ihm geschehen war. Wie war es denn möglich, dass die Mutter plötzlich einen Verehrer fand, den sie zu sich ins Haus ließ und der noch dazu einen so teuren Wagen fuhr, wie ihn sich Gasperlmaier im Leben nicht hätte leisten können? Was war denn plötzlich in die Mutter gefahren? Sie war doch so ausgeglichen gewesen, alles war in ihrem Leben immer seinen gewohnten Gang gegangen, ohne dass ihr Luxus oder sonst etwas abgegangen wären. Waren ihr Gasperlmaier, seine Frau und ihre Enkel als Gesellschaft plötzlich nicht mehr gut genug? Auf was ließ sie sich da ein? Gasperlmaier beschloss, mit der Christine darüber ein ausführliches Gespräch zu führen. Ob sich seine Mutter da nicht in eine Situation begab, der sie nicht gewachsen war?
    Beschweren, so

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