Letzte Bootsfahrt
Haltestelle der Postbusse. „Ja, Gasperlmaier!“, meinte sie, „lassen Sie sich vom Friedrich abholen, ich möchte jetzt nicht noch einmal den Umweg über Altaussee nehmen, ich hab’s eilig. Sie sind mir doch nicht böse?“ Gasperlmaier bekam ein Lächeln geschenkt, und daraufhin stieg er zwar etwas überrascht, aber nur ein klein wenig verärgert aus und fand sich ganz plötzlich allein an der Haltestelle wieder, bevor er noch zum Denken gekommen war. Ihm fiel erst jetzt ein, dass er sich mit keinem Wort verabschiedet hatte.
6
Gasperlmaier zog das Handy aus der Tasche, um den Kahlß Friedrich anzurufen. Auf die paar Kilometer, dachte Gasperlmaier bei sich, wäre es jetzt auch nicht mehr angekommen. Die Frau Doktor hätte ihn ruhig zum Posten zurückfahren können. Gerade, als er eine Taste drücken wollte, fing das Handy zu dudeln an, und Gasperlmaier erschrak. Die Christine war dran. „Folgendes, Gasperlmaier: Deine Mama kommt heute zu uns zum Essen. Weil ich ja am Wochenende nicht da bin. Und ich glaub nicht, dass sie begeistert wäre über das, was du ihr kochst.“ Gasperlmaiers Mutter kam einmal in der Woche zu ihnen zum Essen, so hatte es sich eingebürgert, seit Gasperlmaiers Vater gestorben war. Meistens am Samstag, gelegentlich aber auch an einem anderen Wochentag. „Und da wollte ich dich fragen, was ich kochen soll. Ich bin nämlich gerade im Geschäft. Einen Fisch hätt ich eingefroren daheim. Oder machen wir Schnitzel?“ Gasperlmaier erklärte sich mit den Schnitzeln einverstanden, obwohl in seinem Hinterkopf eine Warnlampe zu blinken begann – er hatte heute Mittag schon Gulasch gehabt, und gesund war das wahrscheinlich nicht, zweimal am Tag ein Fleischgericht zu sich zu nehmen. Ihm fiel ein, dass die Christine ja möglicherweise in Bad Aussee im Supermarkt sein könnte, und fragte nach. „Ja, ja, ich bin in Aussee, wo bist du denn?“ Ohne lange zu erklären, wie es dazu gekommen war, dass er mutterseelenallein in Bad Aussee an der Postautohaltestelle stand, sagte er: „Ja, ich bin auch da, ich komm zum Supermarkt hinüber!“
Die Christine stand mit fast vollem Einkaufswagen vor dem Gemüseregal, als Gasperlmaier in den Supermarkt trat. „Hallo!“, lächelte sie und gab Gasperlmaier einen Kuss auf die Wange. „Wo kommst du denn her?“ Er fing an, umständliche Erklärungen über ihre Ermittlungen abzugeben, immer auf der Hut, sich nicht zu verplappern und Polizeiinterna auszuplaudern. Recht viel Zusammenhang, so musste er selbst zugeben, hatte sein Gerede nicht.
„Hat dich die Frau Doktor also in Aussee ausgeladen?“, fasste die Christine, die es gewohnt war, schnell auf den Punkt zu kommen, zusammen. Gasperlmaier nickte. „Schau!“, sagte die Christine und hielt ein Säckchen Fisolen und einen Bund Karotten in die Höhe. „Ich hab’s mir anders überlegt. Schnitzel sind so fett. Es gibt Hühnerbrust. Und dazu was mit Gemüse. Karotten oder Fisolen?“ Sie streckte beides Gasperlmaier hin. Der aber hasste es, derartige Entscheidungen treffen zu müssen. Erstens war er trotz Mittagsgulasch mittlerweile schon wieder sauer, dass es kein Schnitzel geben würde. Und zweitens war es ihm völlig egal, ob es zur Hühnerbrust Karotten oder Fisolen gab. Zugegeben, die Christine verstand beides hervorragend zuzubereiten, doch auf dem weiten Feld der Gemüsebeilagen fühlte sich Gasperlmaier verloren und mit Entscheidungen völlig überfordert. „Fisolen!“, sagte er daher rasch, um die Debatte abzukürzen. „Warum keine Karotten? Die sind frisch und schmecken sicher gut!“ Das hatte Gasperlmaier befürchtet. Jetzt stand er vor dem Problem, begründen zu müssen, warum er die Fisolen den Karotten vorgezogen hatte. „Die schauen auch schon ein bisschen trocken aus. Müssen es unbedingt Fisolen sein?“, fragte die Christine. „Na, dann halt Karotten!“, beeilte sich Gasperlmaier einzulenken. Die Christine zog eine steile Falte über der Nasenwurzel. „Du weißt aber auch nicht, was du willst. Es ist ein Kreuz, wenn man mit dir einkaufen muss.“ Gasperlmaier seufzte und nahm sich vor, ab sofort nur mehr zuzustimmen, wenn er gefragt werden würde.
Zu seinem Glück gab es keine weiteren problematischen Entscheidungen mehr zu treffen, und so war man wenige Minuten später auf dem Weg nach Altaussee. „Halb fünf ist es“, sagte die Christine. „Ich muss mich eh schon beeilen. Ich setz dich bei deiner Mutter ab, damit du’s ihr sagst.“ Überrascht fragte Gasperlmaier nach,
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