Letzte Bootsfahrt
erahnen als zu sehen war. Was bei diesem Seufzer mit dem Ausschnitt der Frau Schnabel geschah, war beeindruckend. „Der Holzig hat sich unmöglich benommen. Ich überlege eine Anzeige. Aber in der Sache haben Sie wohl recht. Mein Vater hat durchaus Tendenzen zu undurchsichtigen Geschäften gehabt, er hat es aber nicht bös gemeint. Er hat in einer Welt der Männerfreundschaften, der Seilschaften und Netzwerke gelebt, wie man heute sagen würde. Jedes halbseidene Geschäft war ja nur dazu da, um einem Freund eine Gefälligkeit zu erweisen.“
Die Frau Doktor schlug die Beine übereinander und wippte nervös mit dem Fuß. „Dass dabei aber auch für ihn einiges abgefallen ist, das hat weder ihn noch Sie gestört.“ Die Frau Doktor verwies mit einer raumgreifenden Handbewegung auf das Zimmer, in dem sie saßen. Der Blick der Frau Schnabel verfinsterte sich. „Ich muss doch sehr bitten! Ich für meinen Teil habe, seit ich diese Firma führe, ausschließlich seriöse Geschäfte gemacht und jeden Cent Gewinn versteuert!“ Die Frau Reichl, so dachte Gasperlmaier bei sich, war bei den Geschäften, die hier abgeschlossen wurden, sicherlich hilfreich gewesen. Eine Frau wie sie konnte jedem Mann die Sinne so vernebeln, dass er ohne zu zögern alles unterschrieben hätte.
„Haben Sie irgendeine Ahnung, wo sich das Geld befinden könnte?“, fragte die Frau Doktor. Die Frau Schnabel schüttelte den Kopf. „Nicht die geringste. Ich hab ja schon mit der Mama geredet, aber es ist nichts Vernünftiges aus ihr herauszubringen. Sie ist von der Idee besessen, es dem Avalon-Kreis schenken zu müssen. Das Geld ist schmutzig, und sie muss sich davon reinigen, sagt sie. Ich würde mich nicht wundern, wenn das Geld, das Sie ihr zurückgegeben haben, schon wieder auf dem Weg nach Salzburg ist.“
„Frau Schnabel, ich muss Sie jetzt noch etwas zu Ihrem Mann fragen.“ Die Frau Schnabel zögerte, seufzte neuerlich und stand auf. Sie trat zum Fenster und starrte in den trüben Tag hinaus. „Fragen Sie!“ „Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Ihrem Mann?“ „Ist das nicht sehr privat?“, fragte die Frau Schnabel zurück. Die Frau Doktor gebrauchte ihren Standardsatz. „In einem Mordfall ist nichts mehr privat. Und Sie können sich sicher sein, dass alles, was Sie hier sagen, unter uns bleibt. Auch Ihr Mann wird nichts davon erfahren.“ „Mein Vater hat ihm eine vernünftige Anstellung verschafft, weil ihm das Haus gehört hat, in dem sich der Supermarkt befindet“, antwortete die Frau Schnabel. „Er war nicht mit meiner Wahl einverstanden. Trotzdem hat er das für mich getan.“ Das, so fand Gasperlmaier, sagte schon viel über diese Beziehung. Was die Frau Schnabel allerdings an ihrem Mann gefunden hatte, war ihm schleierhaft. Er hatte an ihm keine Qualitäten wahrnehmen können, mit denen man eine Frau für sich einnehmen konnte.
Die Frau Doktor trat nun ebenfalls ans Fenster, wo die beiden Frauen eine Zeitlang schweigend nebeneinanderstanden. Die Frau Schnabel zog ein Taschentuch hervor und betupfte die Augenwinkel. „Eine Geschichte von Enttäuschungen. Und bevor Sie fragen, warum wir noch beisammen sind: das Haus und die Firma. Ich könnte es mir nie leisten, ihn auszuzahlen. Und bei einer Scheidung würde ihm leider die Hälfte zustehen.“ Sie sprach verhalten und zittrig, so als müsste sie darum kämpfen, nicht in Tränen auszubrechen. „Ja. Sie brauchen gar nichts zu sagen. Sehr unvernünftig, schlechter Vertrag. Ich habe mich damals nicht um Geld kümmern wollen, das war mir alles egal. Er war sehr aufmerksam, sogar liebevoll, damals, und ich war verliebt. Später hat sich halt herausgestellt, dass es doch eher das Geld und das schöne Haus waren, was ihn gereizt hat. Jetzt ist es zu spät.“
Die Frau Doktor legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Andere Frauen?“ Die Frau Schnabel zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich schon. Aber Genaues weiß ich nicht. Will ich nicht wissen. Allein wie er die Frau Reichl mustert, das genügt mir schon.“ „Warum haben Sie sie denn dann eingestellt?“, fragte die Frau Doktor. „Erstens“, antwortete die Frau Schnabel, „hat mein Vater sie eingestellt. Meine Mutter war nicht begeistert, können Sie sich ja denken. Aber in so einem Geschäft ist gutes Aussehen enorm wichtig. Die Frau Reichl war einmal Miss Salzkammergut, und sie hat eine hervorragende Ausbildung und exzellente Umgangsformen. Ich kann sie doch nicht kündigen und eine
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