Letzte Bootsfahrt
Hässliche einstellen, damit mein Mann die Finger von ihr lässt!“ Den letzten Satz hatte sie schon mehr geschluchzt als gesprochen. Abgründe taten sich da auf, fand Gasperlmaier. Die Mutter verrückt, der Vater ermordet, davor ein Geschäftsmann mit mehr als fragwürdigen Praktiken. Der Mann ein unfähiger Lüstling, keine Kinder. Die Frau Schnabel war, trotz ihrer Villa und der grandiosen Aussicht auf den Grundlsee, nicht zu beneiden. Gasperlmaier musste an seine eigene Familie denken, in der ja vorläufig noch alles in Ordnung war. Noch. Denn wenn er an das WG -Treffen seiner Christine und die seltsamen Vorlieben seiner Tochter bei ihren Freundschaften dachte, konnte er nicht umhin festzustellen, dass es da Zeichen von Erosion gab, was sein privates Glück betraf. Das seltsame Verhalten seiner Mutter, seit der Doktor Schwaiger aufgetaucht war, hatte er da noch gar nicht mit eingerechnet.
Gasperlmaier verspürte plötzlich ein dringendes Bedürfnis. „Entschuldigen Sie, gibt es da irgendwo eine Toilette?“ Die Frau Schnabel nickte. „Gleich draußen, die erste Tür links.“ Gasperlmaier folgte ihren Anweisungen. Die Toilette hielt, was das Büro versprochen hatte. Alles blitzte und blinkte und sah völlig neu und unbenutzt aus. Fast schämte Gasperlmaier sich, hier sein Geschäft zu verrichten.
Als er die Toilette verließ, sah er sich der Frau Reichl gegenüber, die nach wie vor ihr strahlendes Lächeln durch die Gegend trug und Gasperlmaier fragte, ob er auch einen Kaffee wolle. Von einer unüberwindlichen Sprechhemmung befallen, brachte Gasperlmaier nur ein Nicken zustande. „Kommen Sie gleich mit in die Küche!“ Miss Salzkammergut also, dachte Gasperlmaier bei sich. Er hatte noch nie mit einer Miss gesprochen, und auch jetzt fiel ihm absolut nichts Heiteres oder Kluges ein, was er zur Unterhaltung hätte beisteuern können, so sehr er sich auch das Hirn zermarterte. Die Christine hatte immer nur abfällige Bemerkungen für Misswahlen übrig, wenn im Fernsehen davon berichtet wurde. Eine reine Fleischbeschau sei das, und eine Herabwürdigung der Frauen zu reinen Objekten der männlichen Schaulust. Aber das Fleisch der Frau Reichl musste Gasperlmaier gar nicht beschauen, sie war ihm auch so, bekleidet, aufregend genug.
„Milch und Zucker?“, fragte die Miss. Gasperlmaier nickte. „Beides, bitte.“ Immerhin. Zwei Wörter. Langsam entspannte er sich. „Wie finden Sie eigentlich den Herrn Schnabel?“, fragte Gasperlmaier, ohne dass er diese Frage vorher wirklich geplant hatte. Er nahm die Kaffeetasse von der Frau Reichl in Empfang. Sie nippte an ihrem Espresso und lehnte sich an die Küchentheke. Plötzlich war ihr Lächeln erstorben. „Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was sie an dem findet. Mir ist er zuwider, und er hat auch schon ein paarmal versucht, sich mir zu nähern, der Schleimer.“ Das, so fand Gasperlmaier, unterstrich nur das Bild, das sie bisher schon vom Herrn Schnabel gewonnen hatten. „Sie verdient ja das Geld, und er gibt es aus. Haben Sie schon gesehen, was er für ein Auto fährt?“ Die Frau Reichl unterstrich ihre Ausführungen durch energische Gesten. Gasperlmaier schüttelte verneinend den Kopf. „Glauben Sie, dass er ein Mörder sein könnte?“ Die Frau Reichl zuckte mit den Schultern. „Jeder kann doch ein Mörder sein, sogar ich, oder?“ Sie wandte sich Gasperlmaier zu. Das Lächeln war wieder da, erschien Gasperlmaier jetzt aber eher diabolisch. Ihn fröstelte, und er nahm einen Schluck Kaffee. „Aber ich glaube, der ist zu feig für einen Mord, und er hat auch zu wenig Leidenschaft dafür. Da muss man doch einen gewaltigen Hass entwickeln, um jemanden so umzubringen, meinen Sie nicht? Und der Schnabel, der hat davon einfach nicht genug. Bei dem reicht es gerade dazu, dass er vor Geilheit den Mädchen im Supermarkt unter den Rock greift, aber das war’s dann schon.“ Die Frau Reichl, so fand Gasperlmaier, hatte sich jetzt direkt in Rage geredet. Es stand ihr gut. „Hat er das bei Ihnen auch versucht?“, fragte er, sich über seine eigene Kühnheit wundernd. „Da hätte er sich aber eine blutige Nase geholt!“, antwortete die Frau Reichl. „Ich brauch einen Mann nur anschauen, dann weiß er schon, wo der Bartel den Most holt!“ Sie warf Gasperlmaier einen so scharfen Blick zu, dass dieser unwillkürlich zurückzuckte und ihr aufs Wort glaubte. Die Frau Reichl schien zu merken, dass sie ihn erschreckt hatte. „Sie doch nicht, Herr Inspektor!“, lächelte
Weitere Kostenlose Bücher