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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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sich Gasperlmaier ein Herz. „Mir auch, bitte!“ Die Mama gab der Jasmin die Speisekarte zurück. Natürlich, dachte Gasperlmaier bei sich. „Du solltest nicht so fett essen, Franzl!“, mahnte die Mutter. „Vor allem nicht am Abend! Und ein Schnitzel am Freitag, das muss ja auch nicht sein!“ „Aber du hast dir doch auch eines bestellt“, widersprach Gasperlmaier trotzig. „Ja, aber doch nur, weil ich müssen hab!“, gab die Mutter zurück. „Weil du ja partout keinen Fisch hast essen wollen!“ Gasperlmaier schwieg resigniert. Das würde ein schwieriges Gespräch werden. Er nahm einen langen Zug von seinem Bier. „Und trinken sollst du auch nicht so viel!“, flüsterte nun die Mutter. Gasperlmaier verspürte Lust, sich auf der Stelle davonzumachen. Warum war er nicht gleich heimgegangen und hatte sich ein Paar Würstel warm gemacht?
    Als die Jasmin die Schnitzel brachte und Gasperlmaier ihr sein leeres Bierglas reichte, damit sie es noch einmal füllte, warf ihm die Mutter zunächst nur einen giftigen Blick zu, musste dann aber doch noch etwas hinzusetzen. „Aber heimfahren kannst mich schon noch?“ Gasperlmaier nickte, seufzte und machte sich über sein Schnitzel her. „Frau Gasperlmaier, ausch nösch was zü tringen?“, fragte die Jasmin in ihrem unnachahmlichen Sächsisch die Mutter, die aber nur den Kopf schüttelte. Jetzt konnte Gasperlmaier es ihr aber heimzahlen. „Du trinkst dagegen zu wenig, Mama. Die meisten alten Leute, die zu ihnen kommen, sind dehydriert, hat mir ein Doktor im Krankenhaus einmal gesagt. Und dass sie dann gleich an die Infusion angehängt werden müssen. Und da wird man auch dement davon, wenn der Körper zu wenig Flüssigkeit hat. Wenn sie dann wieder aufgepumpt sind, die alten Leute, dann funktioniert auch ihr Gedächtnis wieder.“ Die Mutter legte das Besteck quer über den Teller und wischte sich den Mund ab. „Willst jetzt also auch noch behaupten, dass ich deppert bin?“, flüsterte sie kopfschüttelnd. „Ich weiß gar nicht, was heute in dich gefahren ist, Franzl. Sonst bist du doch auch nicht so schiach zu mir!“
    Jetzt, stellte Gasperlmaier fest, hatte er den Bogen überspannt. Die Mutter war den Tränen nahe. Er be­eilte sich, zurückzurudern. „So hab ich’s doch nicht gemeint, Mama. Du bist natürlich nicht deppert. Aber verändert schon. Seit der Doktor Schwaiger aufgetaucht ist.“ „Ich hätt mir nicht gedacht, dass du mir die kleine Freude nicht vergönnst. Ist dir lieber, wenn ich allein zu Hause hocke, als wenn ich mit einem alten Freund einen Ausflug mache? Soll ich lieber Kreuzworträtsel lösen, als mich mit einem richtigen Menschen gut zu unterhalten? Warum wünschst du dir das?“ Da, so dachte Gasperlmaier, hatte die Mutter einen Punkt. Er dagegen keinen. Was hätte er auch erwidern sollen? „Weißt du“, sagte die Mutter noch, „sogar deine Kinder sind schon zu groß, als dass du noch so mit ihnen reden könntest. Und ich schon gar. Wenn dir mein Leben nicht passt, dann kommst halt nicht mehr zu mir. Und jetzt bringst mich heim.“
    Das war nicht so gelaufen, wie Gasperlmaier sich das vorgestellt hatte. Nicht er hatte seine Mutter zur Besinnung gebracht, sondern sie glaubte, ihm Lehren mit auf den Weg geben zu müssen. Anscheinend war es so, dass ihm überhaupt niemand mehr zuhörte oder auf seine Meinung einen Wert legte. Von der Frau Doktor angefangen über seine Mutter bis zu seinen Kindern. Überall war man der Meinung, seine Auf­fassungen übergehen, ja sogar mit den Füßen darauf herumtrampeln zu können. Das Leben war nicht einfach.
    „Und morgen fahr ich mit dem Michl zur Blaa-Alm“, sagte die Mutter noch, bevor sie ausstieg. „Dass du mir nicht gleich eine Fahndung einleitest, wenn ich nicht zu Hause bin. Aber den Kater kannst ruhig füttern.“ Gasperlmaier murmelte vor sich hin, dass es doch wohl nicht nötig sei, dass die Mutter den Doktor Schwaiger jeden Tag unterhielt, aber das hörte sie nicht mehr. Sie hatte schon die Autotür zugeschlagen und suchte in ihrer Handtasche nach dem Haustürschlüssel.

9
    Semmeln waren keine da, und auch kein Brot. Also hatte die Christine nicht daran gedacht, dass er vor lauter Arbeit gar nicht zum Einkaufen kommen würde, und anscheinend hatte auch keines der Kinder Zeit gefunden, dafür zu sorgen, dass etwas für das Frühstück da war. Im Gegensatz zu Gasperlmaier, der heute zum Dienst musste, konnten die beiden ja ausschlafen. Missmutig sah Gasperlmaier im Gefrierfach nach und

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