Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
und die Firma erfunden waren, die mir diese Coletti aufgetischt hat, könnte sie auch bei der Nationalität gelogen haben.«
»Jetzt mal ganz langsam. Wieso ist der Name des Bankers erfunden?«
Er erzählte ihr von seiner Yeltsin-Theorie.
»Vermutlich hast du recht. Aber was machen wir jetzt? Wenn wir die Letzten waren, die den Kerl lebend gesehen haben, muss das eure Polizei wissen.«
»Ja, Val. Außerdem ….«
»… oh Gott, Xavier, seine beiden Saufkumpane! Vielleicht waren das gar nicht seine Freunde?«
»Vielleicht nicht. Und dann die Sache mit der Keycard. Wo ist die jetzt eigentlich?«
»Hier irgendwo, in meinem Portemonnaie. Den Bund mit den bunten Schlüsseln habe ich nicht mitgenommen, der liegt auf deiner Anrichte.«
»Die Polizei wird die Karte und die Schlüssel vermutlich haben wollen, Val.«
»Sprich mit ihnen, am besten noch heute. Wenn sie die Keycard brauchen, schicke ich sie sofort per Expresskurier. Vielleicht ist da sein Name drauf.«
Kieffer betrachtete das Foto der Leiche, das auf seinem Schoß lag. »Ich muss mit Kommissar Manderscheid sprechen.«
»Manderscheid? Ist das nicht dieser fürchterliche Typ, mit dem du damals bei dem Mord an unserem Inspektor zu tun hattest?«
Vor einiger Zeit war in Kieffers Restaurant ein Kritiker des Guide Gabin unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen. Durch dieses missliche Ereignis hatte er Valérie kennengelernt, außerdem Kommissar Didier Manderscheid. Die erste Bekanntschaft hatte sich als wundervoll erwiesen, was man von der zweiten nicht behaupten konnte. Er und Manderscheid waren einander von Anfang an in inniger Abneigung verbunden gewesen. Der Umstand, dass Kieffer mehr zur Aufklärung des Mordes an dem Gastrokritiker beigetragen hatte als der Kommissar, hatte ihr Verhältnis endgültig ruiniert.
»Genau der, Val. Wenn es stimmt, was in der Zeitung steht, hat man ihn allerdings inzwischen befördert, zum Leiter der Kripo.«
Kieffer konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Karrieresprung aus Manderscheid einen umgänglicheren Menschen gemacht hatte. Er verabschiedete sich von Valérie und fuhr nach Hause. Dort duschte er zunächst und entlockte der Römerin mehrere Espressi, bevor er sich in der Lage sah, Manderscheid gegenüberzutreten. Dann fuhr er in die Oberstadt. Es war nun kurz vor acht, und er wusste genau, wo er den Kommissar um diese Zeit finden würde.
8
In der hoch über Kieffers Wohnsitz in Grund thronenden Innenstadt gab es zwei große Plätze. Einer davon, die Place Guillaume II., hatte den Charakter eines Marktfleckens. Ihn suchte man auf, um an den dortigen Ständen etwas lëtzebuerger Geméis – Karotten, Bohnen oder Gromperen – zu kaufen, oder vielleicht, um eine Verwaltungsangelegenheit bei der Gemeinde zu erledigen. Auf dem Knuedler, wie er im Volksmund hieß, waren die Dinge meist in Bewegung. Der zweite große Platz hingegen gehörte jenen, die nach der ganzen Herumrennerei eine Pause benötigten. Um die Place d’Armes herum waren die Stühle und Tische diverser Restaurants und Cafés aufgereiht. Exerzierende Soldaten gab es auf dem Waffenplatz schon lange keine mehr, stattdessen marschierten dort nun elegant gekleidete Luxemburgerinnen, Russinnen oder Engländerinnen auf und ab, ihre jüngsten Eroberungen von Guerlain oder Gucci präsentierend, mit ihrem Adjutanten im Schlepptau, der die auf der Grand-Rue gemachte Beute tragen durfte. Hervorragendes Straßentheater wurde auf der Place d’Armes geboten, und von den Cafés aus ließ es sich am besten beobachten.
Kieffer war sich sicher, dass er Manderscheid hier finden würde. Der Kommissar der Police Judiciaire, der Luxemburger Kriminalpolizei, war kein Mensch, der gerne im Büro saß. Hinzu kam, dass die PJ nicht in der Oberstadt, sondern in irgendwelchen muffigen Zweckbauten am Stadtrand untergebracht war. Manderscheid aber war jemand, der nicht nur Licht und Luft brauchte, sondern auch eine Bühne. Und deshalb konnte man ihn fast jeden Morgen im Café Paräis antreffen, einem etwas verzopften Bistro an der Nordseite des Platzes.
Kieffer stellte sein Auto im Parkhaus unter dem Knuedler ab. Dann ging er über den Platz und durch eine kleine Jugendstilpassage, die zwischen zwei Gebäuden hindurch auf die Place d’Armes führte. Dort waren bereits erstaunlich viele Touristen unterwegs, es musste an der Fouer liegen. Kieffer lief bis zum Café Paräis und musterte die Gäste, die im Außenbereich saßen. Manderscheid war noch nicht da. Er schaute auf
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