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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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sagen: »Unfall, Selbstmord, Mord – momentan lässt sich nichts ausschließen.«
    Ein Foto des Toten hatte das »Wort« nicht veröffentlicht, lediglich ein Symbolbild, das die Rout Bréck zeigte. Vor einem wolkenverhangenen Himmel überspannte die minimalistische Stahlkonstruktion die Schlucht zwischen Limpertsberg und Kirchberg, darunter lag das Pfaffenthal, rechter Hand erhoben sich die Hochhäuser des Europaviertels. Alles auf dem Foto wirkte grau, bis auf die lohfarbene, seltsam leuchtende Brücke. Vielleicht hatte die Redaktion aus Pietätsgründen davon abgesehen, die Leiche zu zeigen. Kieffer hielt das jedoch für unwahrscheinlich. Seiner Meinung nach waren den meisten Journalisten derlei Sentimentalitäten völlig fremd.
    Er kannte aus seiner Jugend die Geschichten über die Brückenspringer. Schließlich war er in der Ënnerstad aufgewachsen, nur ein paar Kilometer von der Rouder Bréck entfernt. Grausige Detailschilderungen der sich beinahe monatlich ereignenden Selbstmorde hatten unter den Halbstarken seines Viertels zum Standardrepertoire gehört. Man gruselte sich vor dem, was drüben im Pfaffenthal passierte, fühlte sich aber gleichzeitig davon angezogen. Einer seiner Kumpels war sogar einmal vor Ort gewesen, als wieder einer gesprungen war, noch vor der Polizei. Kieffer erinnerte sich, wie der Junge mit bleichem Gesicht aus Pfaffenthal zurückgekommen war, so schnell sein Fahrrad ihn trug, als wäre der Teufel hinter ihm her.
    Deshalb wusste er, dass es nach einem Sturz aus siebzig Metern Höhe häufig nicht mehr allzu viel zu fotografieren gab – zumindest nichts, das man Zeitungslesern zum Frühstück hätte zumuten können. Der menschliche Körper besaß, wenn er aus einer derartigen Höhe herabfiel, eine Aufprallgeschwindigkeit von über hundert Stundenkilometern. Wenn man dazu auch noch das Pech hatte, auf den Asphalt aufzuschlagen, dann …
    Kieffer blätterte die anderen Zeitungen durch. Überall stand, der Tote sei Amerikaner gewesen, nicht Russe. Sein Bauchgefühl hatte ihn also getäuscht. Wer immer sich von der Brücke gestürzt hatte – es war niemand, den er kannte, schon gar nicht jener Brillenträger, der im »Roude Léiw« randaliert hatte. Er zündete sich eine Ducal an. Nun, da er mit den deutsch- und französischsprachigen Zeitungen durch war, würde er nach Hause fahren, um zumindest noch zwei, drei Stunden zu schlafen. Kieffer wollte bereits den Motor anlassen, da fiel sein Blick auf die Titelseite der noch ungelesenen »Correio«.
    Mehr als zehn Prozent der Luxemburger Bevölkerung waren portugiesischer Abstammung, weswegen es mehrere Zeitungen für die lusophone Gemeinschaft gab. Der Koch konnte bestenfalls ein paar Brocken Portugiesisch, meist Küchenbegriffe, aber als er auf einem der kleinen Fotos auf der Titelseite die Rout Bréck erkannte, schlug er den »Luxemburgo«-Teil auf. Unter der Überschrift »Salto suicida de ponte vermelha« war ein großes Foto des Tatorts zu sehen. Mehrere Polizisten und Forensiker standen hinter einer Absperrung am Rande der Straße, auf dem Boden waren Markierungen der Spurensicherung angebracht. Der Pressefotograf hatte offenbar versucht, von jenseits der Absperrung möglichst nahe an die Leiche heranzuzoomen, so viel zur journalistischen Pietät. Viel war trotzdem nicht zu erkennen, da eine weiße Plane über den Toten gebreitet worden war. Aber unter dem Plastik ragte eine blutverschmierte Hand hervor.
    Kieffer entfuhr ein Stöhnen. Oberhalb der Hand war ein Stück froschgrünen Manschettenstoffs zu sehen. Er nahm sein Handy aus der Tasche und rief Valérie an. Sie meldete sich erst nach dem fünften Klingeln und klang, als ob er sie aus dem Schlaf gerissen hätte.
    »Guten Morgen. Du bist aber sehr früh dran.«
    »Tut mir leid, Val. Es ist wichtig, es geht um den Banker.«
    Sie gähnte. »Hat er seinen Anwalt geschickt, weil wir seine Schlüssel behalten haben? Meiner sagt, ich solle den Kerl wegen Körperverletzung und …«
    »Er ist tot, Val.«
    »Was? Wie kann das sein?«
    Kieffer erzählte ihr von seiner Vorahnung, von den Zeitungsartikeln und dem Foto, auf dem er die Hand und den Hemdsärmel des Toten gesehen hatte.
    »Es ist genau dasselbe froschgrüne Hemd.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Völlig sicher. Das ist kein Zufall, wer trägt schon so ein knallgrünes Hemd?«
    »Aber wieso steht da, er sei Amerikaner gewesen, wenn er Russe ist?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung«, antwortete Kieffer. »Aber ich schätze, wenn der Name

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