Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
rüber.«
Sie zahlten an der Bar. Kieffer musste noch einige Minuten warten, bis Vatanen und die Kellnerin fertiggeturtelt hatten. Dann gingen sie zu ihren Autos. »Was macht eigentlich deine Freundin?«, fragte der EU-Beamte. »Hockt die immer noch im Jagdschloss des Bürgermeisters?«
»Wenn ja, dann bestimmt nicht mehr lange. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Val es lange in diesem goldenen Käfig aushält. Ich rufe sie später mal an.«
Vatanen klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Tu das.« Dann zögerte er einen Moment. »Wenn ich dir einen kleinen Tipp zum Handling von Frauen geben darf, so unter Männern …«
Kieffer glaubte zwar nicht, dass er von einem Hagestolz und Schürzenjäger wie Vatanen in dieser Beziehung allzu viel lernen konnte; doch statt etwas zu erwidern, schaute er seinen Freund erwartungsvoll an.
»Deine Freundin ist am Mittwochmittag in einer schwarzen Limousine verschwunden. Und jetzt, zweiundsiebzig Stunden später, kannst du mir nicht sagen, ob sie immer noch bei Allégret ist. Oder zu Hause. Oder wo auch immer.«
Kieffer blinzelte. »Val ist sehr eigenständig, sie kommt gut alleine klar. Sie mag es nicht, wenn man ihr dauernd hinterhertelefoniert. Dann fühlt sie sich … kontrolliert.«
Vatanen atmete hörbar aus. Dann schüttelte er den Kopf. »Mein lieber Xavier, du weißt schon, was Projektion ist, hmmm?«
Der Koch suchte nach seinen Ducal. »Wieso Projektion?«
»Im psychologischen Sinn. Das Übertragen seines eigenen innerpsychischen Konflikts auf andere.«
»Pekka, das ist doch …«
»Herrgott! Dass du ein Brummbär bist, und nur sporadisch mit anderen Menschen reden magst – meinetwegen. Dass du noch weniger Lust auf Small Talk hast, seit dir jemand eine Knarre vor den Kopf gehalten hat – verständlich. So etwas muss man erst einmal verarbeiten. Aber deine Freundin, auf die man sogar geschossen hat, die braucht jetzt deine Hilfe. Kann sein, dass sie normalerweise eine superselbstständige Frau ist. Aber jetzt«, Vatanen umfasste mit den Händen Kieffers Schultern, »jetzt braucht sie jemanden, und dieser jemand ist nicht der schnöselige Pariser Bürgermeister. Dass du sie nicht anrufst, weil sie angeblich nicht angerufen werden will, ist eine Ausrede vor dir selbst.«
»Danke für das Therapiegespräch, Pekka.«
Der Finne rang einen Moment mit sich. Er geriet selten aus der Fassung, aber Kieffer meinte, erste Vorzeichen eines Wutausbruchs in Vatanens Gesicht zu erkennen. Dann sagte sein Freund leise: »Patzigkeit ist eine weitere vorhersehbare Verleugnungsreaktion. Denk über meine Worte nach.«
Vatanen stieg in sein Auto und fuhr weg. Kieffer sah ihm nach und zündete sich eine Ducal an. Danach eine zweite. Erst dann nahm er sein Handy aus der Tasche und wählte Valéries Nummer.
»Hallo, Xavier.«
»Hallo Val. Geht es dir gut? Es tut mir leid, dass ich erst jetzt anrufe.«
»Ja, ich hatte mir schon ein bisschen Sorgen gemacht.«
»Sorry.«
»Ich bin gerade auf dem Rückweg nach Paris. Es war ganz nett in François’ Landhaus, aber dann hab ich ziemlich schnell Lagerkoller gekriegt.«
»Und wer passt jetzt auf dich auf?«, fragte er.
»Ich auf mich selbst.« Es klang etwas pampig.
»Val, so meine ich es nicht …«
»… sorry, Süßer, es tut mir leid. Die SPHP ist ja eigentlich nur für Politiker, deshalb wird die Pariser Polizei bis auf Weiteres zwei Beamte abstellen, die vierundzwanzig Stunden vor dem Guide-Büro beziehungsweise vor meiner Wohnung stehen. Außerdem hat man mir geraten, eine private Sicherheitsfirma zu engagieren.«
»Bodyguards?«
»Ja. Scheiße, ich will das nicht. Typen, die einem auf Schritt und Tritt folgen. Ich kenne viele Leute, die solche Fiffis haben, ich will so nicht leben!«
»Das kann ich verstehen.«
»Vielleicht kann ich es einfach aussitzen«, sagte sie. »Vielleicht klärt sich die Sache noch auf. Außerdem habe ich ja gar nichts mehr, was diese Typen wollen könnten.«
Er begriff erst in diesem Moment, wie töricht es gewesen war, sie nicht früher anzurufen. Vatanen hatte völlig recht gehabt. Noch idiotischer war es gewesen, ihr nichts von dem Tablet zu erzählen. Er hatte sie in dem Glauben gelassen, die Gefahr sei mit dem Verschwinden der Keycard vorüber. Dabei musste man davon ausgehen, dass der Mann mit dem deutschen Akzent inzwischen herausgefunden hatte, dass die Daten auf der Karte, vor allem die Telefonnummer, eine Sackgasse waren.
»Val, hör zu ich … ich habe Mist gebaut. Ich
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