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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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Prozedere gegeben. Und so war der Koch erstaunt gewesen, als sein Freund ein vietnamesisches Restaurant im Stadtteil Hollerich vorgeschlagen hatte. »Meine neueste Entdeckung«, hatte Vatanen gesagt. »Das musst du gesehen haben.«
    Nun saß Kieffer an einem langen Tisch auf einer schmalen harten Bank, ein wenig wie im Biergarten, und wartete. Der Laden verzichtete auf die übliche asiatische Folklore – keine Drachen, keine Buddhas, nicht einmal die unvermeidlichen Lampions. Wären da nicht die Pho-Suppen und Reisnudeln auf der Speisekarte gewesen, hätte man auch jede andere Art von Restaurant in der alten Fabrikhalle vermuten können. Vatanen trudelte zwanzig Minuten zu spät ein. »Verzeih, mein Lieber. Aber der Verkehr! Luxemburg steht wieder mal kurz vor dem Totalkollaps.«
    Der Finne nahm ihm gegenüber Platz und rieb sich die Hände. »Schon etwas ausgesucht? Dies hier, das Rindfleisch mit den zerbröselten Erdnüssen, das ist wirklich großartig. Und es gibt auch noch andere Attraktionen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Wirst du gleich sehen.«
    Er hätte sich eigentlich denken können, dass es Vatanen nicht ums Essen ging, sondern um eine der Kellnerinnen, eine kleine, gertenschlanke Vietnamesin mit strahlendem Lächeln und tiefschwarzen Katzenaugen. Vatanen war anscheinend bereits per du mit ihr, und sie schien sehr von ihm eingenommen. Als sie bestellt hatten, fragte Kieffer: »Ihr kennt euch bereits?«
    »Oh ja. Jimmy und ich gehen morgen zusammen auf die Fouer. Sie ist zauberhaft.«
    Kieffer konnte dem nur beipflichten, auch wenn die Frau überhaupt nicht in Vatanens Beuteschema passte. »Was ist denn aus Maria geworden, Pekka?«
    Der Finne hob schicksalsergeben die Hände. »Ein sehr flatterhaftes Mädchen, völlig bindungsunfähig.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß auch nicht, was ich in der gesehen habe.«
    Jimmy brachte ihnen zwei Ingwer-Eistees.
    Kieffer nippte. »Ich habe ein bisschen was über Kats herausfinden können.«
    Er erzählte Vatanen, was er bei Sykes über den Mathematiker und Hedgefonds-Manager erfahren hatte.
    »Das deckt sich teilweise mit meinen Informationen. Ich habe ausgiebig für dich recherchiert, unter anderem in unserer Pressedatenbank. Es gibt ein paar Artikel über ihn, in Branchenpublikationen und der ›Financial Times‹. Einmal war er sogar in den ganzen normalen Blättern, wegen eines Guinnessrekords.«
    »Im Geld verdienen?«
    »Nein, im Aufzählen von Primzahlzwillingen.«
    »Was soll das genau sein?«, fragte Kieffer.
    »Ein Primzahlzwilling ist ein Paar aus zwei Primzahlen, deren Abstand zwei ist. Also drei und fünf oder elf und dreizehn. Kats hat vor etwa zehn Jahren bei einer Benefizveranstaltung des Washingtoner Smithsonian Institute ohne Hilfsmittel die ersten fünftausend Primzahlzwillinge aufgesagt. Darüber gab es einen Artikel in der ›Washington Post‹.«
    »Hat er die auswendig gelernt?«
    »Anscheinend nicht. Er hat sie live berechnet. Aber ich fange mal vorne an.«
    Die schöne Vietnamesin, die, ihrem exzellenten Lëtzebuergesch nach zu urteilen, eine Einheimische war, brachte das Essen. Kieffer bekam knusprige Nem-Rollen, gefüllt mit Shrimps, dazu einen Salat mit gemahlenen Erdnüssen obenauf. Vatanen stellte sie eine dampfende Pho-Suppe mit Nudeln hin.
    »In der ›Post‹ stand, er sei ein Wunderkind«, sagte Vatanen zwischen zwei Schlürfern. »Als kleiner Junge aus Russland eingewandert – na, wohl eher geflohen –, Eltern Juden und Dissidenten dazu. Mit fünfzehn hat er in Yale ein Mathematikstudium begonnen, mit zweiundzwanzig hatte er seinen Doktor. Dann fehlen ein paar Jahre, aber irgendwann scheint er im Hedgefondsgeschäft aufgetaucht zu sein, erst bei kleineren Fonds, dann bei Silverstein Green. Das ist, wie du sicherlich weißt, die größte und gierigste Investmentbank des Planeten.«
    Vatanen bugsierte mit seinen Holzstäbchen weitere Reisnudeln zu seinem Mund und sog diese geräuschvoll ein. »Für die hat Kats einen großen Rohstoff-Hedgefonds aufgebaut, der jedes Jahr über dreißig Prozent Gewinn gemacht hat.«
    »Dann war er reich?«
    »Die eine oder andere Million müsste er eigentlich besessen haben. Ich meine, dass in dem ›Post‹-Artikel stand, er habe der Antikensammlung irgendeines US-Museums fünfhunderttausend Dollar gespendet. War offenbar ganz vernarrt in die ollen Griechen. Götter, Sagen und solches Zeug.«
    Kieffer nickte. »Dazu passt, dass er Codewörter wie Hades und Persephone verwendet. Eine halbe Million

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