Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
Dollar, sagst du? Klingt nach einem schönen Leben.«
»Gell? Später gab es allerdings Ärger.«
»Inwiefern?«
»Nun ja, als vor einigen Jahren die Preise für Weizen, Mais und Soja durch die Decke gingen, da warf man Silverstein und anderen – übrigens auch diesen Schweizern – vor, sie würden durch ihre Spekulationsgeschäfte die Preise hochjazzen, und in der Folge müssten Leute hungern.«
»Und? Stimmt das?«
»Dazu gibt es verschiedene Meinungen.« Vatanen fischte die letzten Nudeln aus seiner Suppe, dann schob er sie weg. »Rohstofftermingeschäfte haben ja durchaus einen Sinn, das sind Absicherungsgeschäfte.«
»Aber diese Fonds sichern sich gegen gar nichts ab«, wandte Kieffer ein. »Die zocken doch nur.«
»Mag sein, Xavier. Aber der Übergang ist da fließend. Melivia zum Beispiel besitzt eigene Kornspeicher, die horten Abertausende Tonnen Mais oder andere Lebensmittel. Deshalb müssen sie sich an der Terminbörse absichern.«
Kieffer musste an Estebans ruinöse Rinderhälften denken. »Wenn das alles so koscher ist, warum hatten Kats und Silverstein dann Ärger?«
»Inzwischen übersteigt der spekulative Handel mit Rohstoffen die seriösen Absicherungsgeschäfte anscheinend um ein Vielfaches. Und die meisten dieser Rohstofffonds verhalten sich wie Aktienfonds. Sie kaufen und halten – verkaufen tun sie nie etwas. Das treibt dann möglicherweise tatsächlich die Preise in die Höhe. Es gab dazu in den USA eine Untersuchung des Kongresses. Silversteins Topmanager wurden besonders in die Mangel genommen. Irgendein Investigativjournalist hatte herausgefunden, dass diese Typen versucht haben, die Software der Chicagoer Börse auszutricksen, indem sie superschnell Computerorders platziert und dann sofort wieder zurückgezogen haben. Außerdem haben sie Weizen gehortet.«
Kieffer schnaubte. »Was will denn eine Investmentbank mit Weizen?«
»Vielleicht Brot backen?« Vatanen lächelte gequält. »Die wollten vermutlich die verfügbaren Bestände verknappen und damit den Preis treiben. Wie auch immer, die Untersuchung ging aus wie das Hornberger Schießen, denn es konnte letztlich nicht schlüssig bewiesen werden, dass irgendwer den Markt manipuliert hat. Und Zocken ist schließlich nicht verboten. So blieb alles beim Alten.«
»Zuletzt hat Kats für Melivia gearbeitet. Der Mann scheint ja ein Faible für moralisch verrottete Konzerne gehabt zu haben.«
»Ja, Xavier, es scheint so. Zu Melivia habe ich auch noch etwas. Die werden wegen ihres Geschäftsgebarens in der Dritten Welt von so ziemlich allen angeprangert – Amnesty, Transparency International, Greenpeace. Das ist alles richtig unappetitlich.«
Vatanen schaute angewidert. »In Kolumbien soll Melivia rechte Paramilitärs finanziert haben, damit die in ihrer dortigen Kupfermine aufmüpfige Gewerkschaftsvertreter verschwinden lassen.«
Kieffer schob sein restliches Essen ebenfalls beiseite. Es war nicht übel, aber irgendwie war ihm der Appetit vergangen. »Okay. Sonst noch was?«
»Nein, außer der Guinness-Geschichte scheint es nur wenige öffentliche Anlässe gegeben zu haben, bei denen dieser Kats seinen brillanten Kopf gezeigt hat. Ein ganz scheues Rehkitz dieser Mann, keine Interviews, nichts. Ganz selten ein wissenschaftlicher Vortrag. Zuletzt am siebten Juni dieses Jahres, bei einer Mathematikerkonferenz an der London School of Economics, über Markov-Prozesse.«
»Was sind Markov-Prozesse?«
»Irgendwas mit Statistik, keine Ahnung.«
Kieffer griff nach einem der verbliebenen Nem-Röllchen und biss ab. Es war bereits kalt und pappig. »Mir fällt noch etwas ein, Pekka. Die Polizei hat mir ein Foto von Kats gezeigt, auf dem er vor einem großen Gebäude steht, vermutlich in Manhattan. Es sah aus wie ein Zeitungsausschnitt, und ich vermute, dass es sich um ein Gerichtsgebäude gehandelt hat. Hast du dazu etwas gefunden?«
Der Finne schüttelte den Kopf. »Nein, nichts. Vielleicht hatte es ja auch mit dieser Kongressanhörung zu tun, wer weiß.« Vatanen musterte ihn. »Was wirst du nun tun, Leibkoch?«
»Rauchen. Und danach diesen Hedgefondsmanager besuchen, den mir Sykes genannt hat.«
»Ah! Er ist bereit, mit dir zu sprechen?«
»Ja«, antwortete Kieffer. »Seine Firma sitzt in der Innenstadt. Kennst du dieses bizarre Gebäude nahe dem Pont Adolphe?«
»Meinst du den schwarzen Glaskasten, der aussieht, als würde er von einer nordfinnischen Eishexe bewohnt? Und dort arbeitet der Kerl?«
»Genau da. Ich fahre gleich
Weitere Kostenlose Bücher