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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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nachzujagen?«
    »Glaubst du«, entgegnete er leise, »dass sich das Problem dann in Luft auflöst?«
    Sie antwortete nicht.
    »Ich muss noch einmal mit Gérard reden, Val. Vielleicht kann er diese kryptische Botschaft auf der Voicebox entschlüsseln helfen.«
    Seine Freundin seufzte. »Na gut. Warte einen Moment, dann stelle ich dich durch. Wir sehen uns morgen Abend in Hamburg, ja?«
    »Okay, Val.«
    Sie legte auf. Kieffer wurde in eine Vivaldi-Warteschleife katapultiert, aus der ihn nach etwa einer Minute die Stimme Gérards, des EDV-Chefs, erlöste.
    »Xavier, guten Tag.« Im Hintergrund hörte man Kindergeschrei. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Hallo, Gérard. Es tut mir sehr leid, dass ich Sie an Ihrem freien Tag störe. Es ist immer noch wegen dieser Keycard. Diese Schweizer Telefonnummer war eine Voicebox, und auf der war von etwas die Rede, das ich nicht verstehe. Es klang nach Computerkrams.«
    Der Gabin-Mann lachte. »Und zwar?«
    »Wissen Sie, was ein Faktorschlüssel ist?«
    »Natürlich. So etwas verwendet man für Primzahl-Verschlüsselungsverfahren.«
    Primzahlen, dachte Kieffer. Immer wieder Primzahlen.
    »Können Sie es mir erklären?«
    »Ja, es ist ganz einfach.« Kieffer bezweifelte das, sagte aber nichts. »Wenn Sie zwei Primzahlen miteinander multiplizieren, dann ist das sehr simpel. Die Rückgewinnung der beiden Faktoren hingegen ist mathematisch extrem aufwendig. Leuchtet Ihnen das ein?«
    »Ehrlich gesagt, nein, Gérard.«
    »Okay. Ein Computer kann binnen Sekunden zwei, sagen wir fünfhundertstellige Primzahlen finden und die miteinander multiplizieren. Das Produkt, also das Ergebnis, hat um die tausend Stellen. Wenn Sie jetzt aber nur die tausendstellige Zahl haben und daraus errechnen wollen, welche beiden Primzahlen man zuvor miteinander multipliziert hatte, dann ist das quasi unmöglich.«
    »Warum?«
    »Weil bisher noch niemand ein mathematisches Verfahren für diese Art der Faktorzerlegung gefunden hat. Die Berechnung dauert Jahre. Deshalb benutzt man das Prinzip in der Kryptografie. Nur wenn Sie alle Faktorschlüssel besitzen, können Sie die Nachricht lesen.«
    Kieffer schwieg einen Moment. Er vernahm wieder Kats’ Stimme: »Zur Aktivierung benötigst du vier Faktorschlüssel.«
    »Danke Gérard. Das hilft mir sehr weiter.« Das war eine maßlose Übertreibung, aber es gab ja keinen Grund, unhöflich zu sein.
    »Sagen Sie, Xavier, diese Typen …«, Kieffer meinte Nervosität in der Stimme des EDV-Chefs zu hören.
    »Ja?«
    »Die scheinen ja ziemlich skrupellos zu sein. Haben Sie schon einen Anhaltspunkt, um wen es sich da handeln könnte?«
    »Der Besitzer der Karte hat für Melivia gearbeitet, einen großen Rohstoffkonzern, davor für Silverstein Green. Vielleicht stecken die dahinter, aber Genaueres weiß ich nicht. Warum fragen Sie?«
    »Nach diesem Raubüberfall auf unsere Chefin haben wir hier alle Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Wachdienst, Besucherkontrolle, IT-Security.« Er seufzte. »Aber ich befürchte, es war schon jemand drin.«
    »Wie? Im Gabin-Gebäude?«
    »Nein. In unserem Intranet. Jemand hat sich reingehackt, und wir überprüfen gerade, was er auf unserem Server getrieben hat.«
    »Und Sie glauben, das waren dieselben Typen?«
    »Theoretisch könnte auch jemand versucht haben, an den neuen Guide Gabin zu gelangen. Es ist nicht das erste Mal, dass jemand versucht, uns zu hacken. Aber dieser Angriff hatte zu viel Finesse, als dass es sich um den computergewandten Sohn eines neugierigen Sternekochs oder um einen Journalisten gehandelt haben könnte. Da waren Profis am Werk.«
    »Ich verstehe. Falls ich etwas herausfinde, informiere ich sofort Valérie.«
    Sie verabschiedeten sich, dann legte Kieffer auf. Vier Schlüssel, Faktorschlüssel, Zahlen also, die notwendig waren, um irgendetwas zu entschlüsseln. Aber was? Und wo hatte Kats die Zahlen abgespeichert? Wenn sie, wie Gérard erklärt hatte, mehrere Hundert Stellen besaßen, standen sie vermutlich nicht auf einem Post-it-Zettel an seinem Kühlschrank.
    Kieffer überquerte den Boulevard Roosevelt und ging in Richtung des Parc E. J. Klein, dem gegenüber das Pickman-Gebäude stand. Er war schon oft daran vorbeigefahren und hatte sich gefragt, was für Verrückte wohl darin hausten. Es war zwar verglast, sah aber nicht wie die austauschbaren Bankerboxen auf dem Kirchberg aus. Seine dunklen Glasplatten standen nicht senkrecht, sondern waren versetzt in allerlei Winkeln angebracht. Dabei liefen sie

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