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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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genauso. Komplexe Markov-Modelle sind notwendig, um das Gesamtsystem zu erfassen. Kats verstand das besser als andere.«
    Kieffer schwirrte bereits der Kopf. »Was genau verstand er besser?«
    »Wie man mithilfe mathematischer Gleichungen das Gesamtsystem der Finanzmärkte abbildet. Und zwar so, dass möglichst viele Kursbewegungen vorhergesagt werden können. Er war, das glauben jedenfalls viele von uns, ziemlich nah dran an der Wahrheit.«
    Als Kwaukas das Wort »Wahrheit« aussprach, schwang etwas Ehrfürchtiges in seiner Stimme mit. Wieder hörte Kieffer in seinem Kopf Kats’ Worte: »Die Wahrheit befindet sich auf dem Zwillingsserver.«
    »Die Wahrheit? Die Wahrheit worüber, Herr Kwaukas?«
    Der Fondsmanager lächelte. »Die einzig wahre Wahrheit. Das ist Händlerjargon. Einige von uns glauben, dass es theoretisch möglich wäre, die Gesetzmäßigkeiten, nach denen der Markt funktioniert, vollständig aufzudecken und mithilfe von Algorithmen abzubilden. Wie bei einem Uhrwerk, wie bei einer Maschine, deren Funktionsweise man vollständig kennt. Einer Gelddruckmaschine: Die Wahrheit ist für unsere Quants, für unsere Mathematiker, in etwa das, was für Alchemisten im Mittelalter der Stein der Weisen war. Allerdings ist sie auch ähnlich mythisch. Ich persönlich glaube nicht, dass es die Wahrheit wirklich gibt, die Vorstellung ist mir zu …«
    »… fortschrittsgläubig?«, schlug Kieffer vor.
    »Eher zu deterministisch«, antwortete der Fondsmanager. »Ist eine philosophische Frage.« Kwaukas blickte Kieffer an. »Und jetzt sind Sie mal dran. Was sagt denn die Polizei zu der ganzen Angelegenheit?«
    »Zunächst war die Mordkommission involviert.«
    Kwaukas hob eine Augenbraue. »Mord? Ich dachte, er wäre selbst gesprungen. Ich habe nämlich einmal gehört, die Rote Brücke sei Luxemburgs Selbstmörder … Mekka.«
    Kieffer schüttelte den Kopf »Das war früher. Es ist inzwischen relativ selten, dass jemand von der Rouder Bréck springt, wegen des Schutzwalls, den es seit den Neunzigern gibt«, antwortete er.
    »Deshalb die Mordhypothese? Aber Sie sagten eben, die Polizei habe ›zunächst‹ ermittelt.«
    »Ich habe gehört, dass man inzwischen von Selbstmord ausgeht«, sagte der Koch. »Offenbar gibt es Videoaufzeichnungen.«
    Kieffer schaute in das bittere schwarze Herz seines erkaltenden Filterkaffees. Auf der Oberfläche hatte sich ein öliger Film gebildet. »Sie erwähnten vorhin, es gebe noch einen zweiten Grund dafür, dass Melivia über Kats’ Kündigung erzürnt gewesen sein müsste.«
    Kwaukas musterte ihn prüfend. »Sie wissen es nicht?«
    »Was?«
    »Na, dass er Codes gestohlen hat.«
    Kieffer schüttelte den Kopf und bemühte sich, möglichst verständnislos dreinzublicken. Kwaukas nahm sich einen Becher, griff nach der Thermoskanne, überlegte es sich dann jedoch anders und langte nach einem der Colafläschchen, die in der Mitte des Konferenztisches standen.
    »Gerüchten zufolge soll er bei mehreren seiner vorherigen Arbeitgeber Algorithmen mitgehen haben lassen. Außerdem, so geht zumindest die Legende, hat er deren Computersysteme gehackt. Er soll beispielsweise die gesamte Kundendatenbank einer Fondsgesellschaft namens Enlightment ins Internet hochgeladen haben, für die ganze Welt zugänglich – als Ablenkungsmanöver, damit niemand seinen Codediebstahl bemerkt.«
    »Woher wissen Sie das alles?
    »Branchentratsch. Wir Hedgies sind eine sehr kleine Community, da bleibt nichts lange geheim. Aber erinnern Sie sich an unsere Abmachung: Nichts hiervon habe ich je gesagt. Außerdem ist manches eventuell eine Räuberpistole, diese Kundendaten-Geschichte beispielsweise. Aber das mit den Codediebstählen dürfte stimmen. Im Falle von Silverstein ist das gut belegt. Kats wurde seinerzeit angeklagt.«
    »Und? Wurde er verurteilt?«
    »Nein. Ein Manhattaner Richter hat ihn freigesprochen. Die ganze Branche hat diesen Prozess damals sehr genau verfolgt. Es kommt nämlich des Öfteren vor, dass jemand bei seinem Abgang mehr mitnimmt als nur seine Bleistifte. Ein modernes Finanzinstitut hat in seinem Safe ja heutzutage kein Geld mehr. Sondern Algorithmen. Und die sind sehr wertvoll.«
    »Was genau hat er denn entwendet?«
    »Wenn ich mich recht entsinne, hat er mehr als hunderttausend Zeilen Code kopiert, verschlüsselt und auf einen Server in Deutschland transferiert. Die Anklage konnte das alles lückenlos nachweisen.«
    Kieffer war verblüfft. Kats war offenbar die digitale Variante eines

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