Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
der Mann immer wieder sagte, war: »Baika wa, baika wa!«
Biker. Er schaute sich um. Die beiden Motorradfahrer waren verschwunden. Kieffer imitierte einen auf einem Moped sitzenden Mann und sah den Touristen fragend an.
»Hai. Baika wa. Helmetto.«
Kieffer nickte. Sie hatten Sundergaard einen Motorradhelm über den Schädel gezogen. Das erklärte die fürchterliche Platzwunde. Er ging zurück zu dem Schweden und kniete sich neben ihm nieder. Der Programmierer schien allmählich wieder zu sich zu kommen. Seine glasigen Augen huschten über Kieffers Gesicht, er versuchte etwas zu sagen.
»Tab… Tab…«
Der Koch stand auf und blickte auf den Tisch. Sowohl Sundergaards Laptop als auch Kats’ Tablet waren verschwunden.
20
Als der Krankenwagen vor dem »Deux Eglises« vorfuhr, vergewisserte sich Kieffer, dass Sundergaard versorgt wurde und ging dann raschen Schrittes zu seinem Auto. Als Besitzer des »Deux Eglises« hätte er wohl eigentlich bleiben und der zweifelsohne bald eintreffenden Polizei Rede und Antwort stehen sollen. Es gab jedoch kaum etwas, auf das er in diesem Moment weniger Lust hatte. Er kochte vor Wut. Zweimal binnen einer Woche hatte man ihn oder seine Freunde bedroht oder angegriffen, und er hatte nicht den Eindruck, dass die Polizei ihn beschützte. Wahrscheinlich konnte sie das auch gar nicht. Aber einem ahnungslosen Streifenpolizisten nun erneut die ganze Geschichte zu erzählen, die er bereits bei Lobato und der Pariser PJ zu Protokoll gegeben hatte – undenkbar.
Außerdem würde dann sein Termin mit Kwaukas platzen. Kieffer schoss die Rue Wilhelm hinunter und bog nach links ab. Der Mann mit dem deutschen Akzent, der Valérie bedroht hatte – waren es seine Leute gewesen, die nun auch das Tablet geraubt hatten? Das schien ihm die wahrscheinlichste Erklärung zu sein. Möglicherweise hatten sie ihn beschattet und auf einen günstigen Moment gewartet, ihm das Gerät zu entreißen. Der alte Lieferwagen röchelte asthmatisch, als der Koch ihn die steile Montée de Clausen hinaufprügelte. Oben angekommen bog er ab und fädelte sich auf den Boulevard Roosevelt ein, der am Rand des Bockfelsens entlangführte. Während er sich durch den dichten Innenstadtverkehr quälte, dachte Kieffer wieder über die kryptischen Sätze nach, die Kats auf der Voicebox hinterlassen hatte:
»Wenn du hier anrufst, hast du die Karte ausgelesen und besitzt den Schlüssel.«
Immer wieder ging es um irgendwelche Schlüssel. Nicht um welche aus Metall, da war er sich sicher, sondern um kryptografische Schlüssel, Pincodes, Computerpasswörter.
»Die Wahrheit befindet sich auf dem Zwillingsserver«, hatte Kats gesagt. »Zu seiner Aktivierung benötigst du die vier Faktorschlüssel.«
Kieffer fluchte leise, als er vor der Ampel abrupt bremsen musste. Der Lieferwagen gehorchte nur widerwillig. Kurz hinter Notre-Dame bog er nach links ab und fuhr auf die Place de la Constitution, eine Ausbuchtung im Bock, hinter deren steil abfallendem Rand das Pétrussetal lag. Kieffer umfuhr das in der Mitte des Platzes stehende Weltkriegsmonument mit der über ihm thronenden Statue der Gëlle Fra und suchte nach einem Parkplatz. Wie zu erwarten waren keine mehr im Angebot. Aber wie immer gelang es Kieffer auch dieses Mal, sich noch irgendwo dazwischenzuquetschen. Er parkte zu dreist, um ohne Strafzettel davonzukommen, aber nicht so dreist, dass man ihn binnen der nächsten zwei Stunden abschleppen würde, stieg aus und querte den Platz. Dann lief er in Richtung Pont Adolphe, in dessen Nähe sich das Büro von Kwaukas’ Firma Pickman befand. Bevor er mit dem Börsenexperten sprach, gab es jedoch noch eine Sache zu klären. Er hielt an, nahm sein Handy aus der Jackentasche und wählte.
»Xavier?«
»Hallo, Val.«
»Oh nein! Du hast dir die Sache mit der Kochshow anders überlegt.«
»Nein, deswegen rufe ich nicht an. Man hat mir diesen Tabletcomputer geklaut. Geraubt, muss man wohl sagen.«
Er erzählte Valérie, was passiert war.
»So eine Scheiße.«
»Exakt.«
»Andererseits heißt das vielleicht, dass diese Typen uns jetzt endlich in Ruhe lassen«, fuhr sie fort. »Jetzt haben die doch endlich alles, was sie wollten.«
»Nein, Val. Erinnere dich an die Nachricht auf Kats Sprachbox. Die habe nur ich abgehört, niemand sonst kennt ihren Inhalt.«
»Xavier, pass bloß auf.«
»Versprochen. Ich hätte allerdings noch eine Bitte.«
»Was denn? Willst du jetzt nicht langsam mal aufhören, diesem toten Mathematiker
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