Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
Vom Netzwerk:
Georges, der kleine Koch, grinste breit. Mit Daumen und Zeigefinger der zum Mund erhobenen linken Hand formte er einen Kreis, in seiner rechten hielt er einen überdimensionierten Holzlöffel.
    Vatanen legte den Arm um seine Begleiterin und signalisierte ihr, ihm Riesling nachzuschenken. »Danke, mi corazón. Und wieso heißt er Georges?«
    »Das weiß man nicht mehr so genau. Die Werbefigur ist vom Gabin nur in den Zwanzigern und frühen Dreißigern verwendet worden, danach fand man sie zu unmodern oder vielleicht auch zu unseriös. Unsere Mitarbeiter mussten das halbe Hausarchiv durchforsten, bis sie die alten Vorlagen fanden. Ich glaube, dass er Georges heißt, weil der Name mit G anfängt, wie Guide Gabin. Möglicherweise ist es auch eine Verneigung vor Georges Auguste Escoffier. Mein Großvater war gut mit ihm befreundet, und ich finde, der kleine Koch sieht ihm ein bisschen ähnlich.«
    »War das ein Koch?«, fragte Vatanen.
    »Ja, einer der berühmtesten Köche des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Derjenige, der die klassische französische Küche eigentlich erfunden hat.«
    Kieffer stellte die Platte ab. »Ah!«, rief Vatanen. »Richtiges Essen.« Er grunzte wie ein Neandertaler und sagte: »Fleisch auf Feuer gut.« Der Finne wandte sich seinem Gastgeber zu. »Wolltest du noch einmal etwas Vernünftiges essen, bevor du dich ab morgen mehrere Wochen lang ausschließlich von frittierter Kartoffelpampe ernährst?«
    »Ich mag Gromperekichelcher, Pekka. Aber es könnte tatsächlich sein, dass ich sie nach der Schueberfouer etwas satthabe.«
    Kieffer verteilte die Wäinzoossiss und das Gemüse, dann öffnete er eine weitere Flasche Schengener Riesling. Während sie aßen, fiel ihm wieder einmal auf, was für ein Glücksfall sein Garten war. Dieser lag zwischen seinem kleinen Haus in der Rue St. Ulric und dem Fluss Alzette, der durch das Unterstadtviertel Grund murmelte. Gut geschützt vor den Blicken Fremder und fernab der Straße ließ sich hier wunderbar im Liegestuhl dösen oder mit Freunden vespern. Es gab nichts Besseres, man würde ihn hier mit den Füßen zuerst hinaustragen müssen.
    Vatanen zeigte mit seiner Gabel auf Georges. »Und jetzt habt ihr dieses Maskottchen wiederbelebt?«
    Valérie nickte. »Unsere Marketingleute meinen, so eine Kultfigur im Archiv verschimmeln zu lassen, sei eine Sünde. Mein T-Shirt ist nur ein Probedruck, unsere Werbeagentur feilt noch an der Kampagne. Aber dann wollen wir den kleinen Koch wieder überall einsetzen und Merchandise verkaufen – P’tit-Georges-Puppen, Baseballkappen, Vintage-Emailleschilder, das ganze Programm.«
    »Das hat aber eigentlich nichts mit Haute Cuisine und Gastroführern zu tun, oder?«, brummte Kieffer.
    »Nicht im engeren Sinne. Aber ein bisschen mehr Coolness könnte dem Gabin nicht schaden. Es gibt viele Leute, die halten den Guide für etwas angestaubt. Die Geschäfte liefen … schon mal besser.«
    »Was ist denn das Problem?«, fragte Kieffer.
    Vatanen kicherte. »Sie verkauft dicke gedruckte Bücher, in denen Restaurants aufgelistet sind. Das ist das Problem.«
    Valérie schüttelte den Kopf. »Wir sind nicht ganz so rückständig, wie du denkst. Es gibt den Guide Gabin natürlich auch im Internet. Das Problem ist eher, dass Frankreich nicht mehr der unbestrittene Mittelpunkt des gastronomischen Universums ist. Und deshalb werfen uns manche vor, wir seien zu wenig international, zu gallisch, zu foie-gras-fixiert, was weiß ich.«
    Kieffer legte den Arm um seine Freundin. »Also für mich bleibt ihr immer der kulinarische Mittelpunkt.«
    »Ja, aber für dich ist U2 auch immer noch die größte Band der Neuzeit«, frotzelte Vatanen. »Da ich fast ausschließlich ins ›Deux Eglises‹ gehe, müsst ihr Kulinariker mir jetzt mal helfen. Wo liegt das neue kulinarische Paradies denn heutzutage eigentlich?«
    Maria reckte das Kinn nach vorne und sagte laut und bestimmt: »in España.« Es war das Einzige, was sie an diesem Abend sagte.

4
    Mit bloßen Händen riss Valérie Gabin ein Stück von ihrem Gromperekichelchen ab und biss hinein. Kieffer beobachtete seine Freundin, während sie mit einem Plastikmesser etwas Crème fraîche auf den Kartoffelpuffer strich. In Luxemburg gab es dazu kein Apfelmus, eher aß man die Reibekuchen mit etwas Herzhaftem wie einem Bouneschlupp genannten Eintopf oder eben mit Sauerrahm.
    »Lecker sind die. Interessant, dass ihr gehackte Petersilie reintut, habe ich noch nie gesehen«, sagte Valérie. Sie stupste ihn

Weitere Kostenlose Bücher