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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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Freund jetzt nach Hause, dann ist Ruh’.«
    Kieffer ging zu dem Loch in seiner Zeltwand und spähte hindurch. Der »Roude Léiw« befand sich am nördlichen Rand des Glacis und so konnte er auf die Allée Scheffer blicken, die hinter dem Zelt verlief. Es war noch hell, doch obwohl er sich einen Moment Zeit nahm, konnte er keinen der drei Männer ausmachen. Die Menge hatte sie bereits verschluckt. Kieffer ging zurück zu Valérie. Sie saß auf der Bank und betrachtete etwas in ihren Händen.
    »Was ist das?«
    »Ein Schlüsselbund. Gehört dem Mann mit der Brille.«
    Der Schlüsselbund bestand aus einem stählernen Ring, an dem sich drei Sicherheitsschlüssel befanden. Das Metall der Schlüssel war eingefärbt, einer schimmerte goldgelb, ein weiterer lilafarben, der dritte in silbrigem Rot. An dem Ring war außerdem eine kleine rechteckige Hülle befestigt, in der eine weiße Plastikkarte steckte.
    »Hat der Typ die verloren?«, fragte Kieffer.
    »Als er an mir rumgezerrt und mich umgeworfen hat, da habe ich so ein metallisches Klirren gehört. Und dann lag der Schlüsselbund plötzlich neben mir. Er muss ihm aus der Tasche gefallen sein.«
    Erst jetzt sah Kieffer, dass sie eine Schürfwunde an der Schläfe hatte. Ein Tropfen Blut lief herunter.
    »Val, du bist verletzt. Wir brauchen einen Sanitäter.« Kieffer machte eine zu schnelle Bewegung und spürte sofort wieder einen dumpfen Schmerz zwischen den Beinen. Er ächzte. »Der könnte mir dann auch gleich einen Eisbeutel spendieren.«
    Sie nickte matt und schulterte ihre Jacke. Arm in Arm gingen sie langsam zum Ausgang. Nichts deutete mehr auf die Schlägerei hin; die Gäste hatten sich wieder ihren Weingläsern und Backfischen zugewandt und schunkelten fröhlich im Takt der Musik.
    In einem kühlen Grunde
Sitzt nun Cojellico’s Jang
Sein Kett hat ihn nicht geschunden
Auch blieb ihm sein belscher Frang!

5
    Als Kieffer am Sonntagmorgen erwachte, lag er allein im Bett. Trotz oder vielleicht gerade wegen des anstrengenden und verkorksten ersten Schueberfouer-Tags hatte er geschlafen wie ein Toter. Valérie, die anders als er eine notorische Frühaufsteherin war, hatte sich vermutlich bereits vor Stunden hinausgeschlichen. Er schaute auf den Wecker. Es war bereits nach neun. Kieffer stand auf und stieg die Holztreppe hinunter. Falls Valérie da war, fände er sie vermutlich im Garten. Dort saß sie tatsächlich, an dem großen Tisch aus Buchenholz und las auf ihrem Laptop den »Figaro«. Als sie ihn bemerkte, klappte sie den Computer zu und stand auf.
    »Geht es dir besser, Xavier? Mein Ellenbogen tut immer noch ziemlich weh.«
    »Viel besser, Val. Richtig gut aber erst, wenn ich einen Kaffee getrunken habe. Hattest du schon einen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Obwohl Valérie Gabin die Chefin und Eigentümerin des berühmten französischen Gastronomieführers gleichen Namens war, sah man ihr das erfreulicherweise nicht an. Statt einer Perlenkette hatte sie ein kleines hölzernes Surfbrett um den Hals, auch sonst wirkte die Pariserin meist ganz und gar undamenhaft. An diesem Morgen trug sie eine ausgewaschene schwarze Röhrenjeans, weiße Chucks und einen grünen Kapuzenpulli, auf dem ein surfender Beau vor einer riesigen Welle zu sehen war. Ihre braunen Haare steckten unter einer Baseballkappe, die ein großes goldenes G zierte – ein weiterer Gabin-Merchandise-Artikel, wie Kieffer vermutete. Sie schaute ihn aus ihren großen grünen Augen an. »Ich musste mit Tee vorliebnehmen, da ich immer noch nicht kapiert habe, wie deine seltsame Kaffeemaschine funktioniert.«
    »Ich kümmere mich drum.«
    Er gab ihr einen Kuss und verzog sich in die Küche. Kieffers Kaffeemaschine passe gut zu ihm, hatte Valérie einmal angemerkt; beide seien nicht ganz einfach zu handhaben. Das Gerät stammte aus der Insolvenzmasse einer italienischen Bar in Esch-sur-Alzette und war so launisch wie eine schöne Römerin. Es war viel Erfahrung notwendig, um dem Kubikmeter Edelstahl und Messing einen schmackhaften Espresso zu entlocken. Zunächst galt es, die Maschine auf die richtige Betriebstemperatur zu bringen. Dass die erreicht war, zeigte kein Thermometer und kein Lämpchen. Vielmehr musste der Barista nach einem bestimmten Rumpeln horchen, einem fast ärgerlich klingenden Stampfgeräusch, das die Maschine von sich gab, sobald der Kesseldruck ein gewisses Niveau erreichte. Dann durfte man nicht den Fehler begehen, zuerst den Milchaufschäumer aufzudrehen oder den falschen Kippschalter zu

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