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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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stießen, und es gab sogar einige, die sich erlaubten zu ächzen. Der erste der letzten acht Wale war so gut wie verölt, als Sir auf die Brücke kam und sich das müde Treiben einen Moment lang ansah, ehe er zum Megaphon griff: » Doppelbläser ! – Auf die Brücke!«
    Tommy ließ erschrocken den Flensspaten fallen, richtete sich auf, sah ungläubig nach oben, wo der Kapitän ihm zunickte. Der Bootsjunge nahm den Deckspaten, brachte ihn zum Metallspind, der sich an der Heckwand des Decksaufbaus befand, und stieg wenig später die Nocktreppe hoch.
    Er riss das Schott auf, schrie viel zu laut: »Auf die Brücke! – Auszubildender Rahr!«
    Er blieb im Raum stehen und wartete, bis Sir sich zu ihm umdrehte. Der Mann bedeutete ihm, ihm in die Rimbaudnische zu folgen, und deutete dort aufs Sofa.
    »Mein Junge«, schlug der Kapitän einen väterlichen Ton an, der Tommy sofort misstrauisch machte: »Du hast dich geprügelt? Warum? Lag ein Grund vor?«
    Einen Augenblick lang war er geneigt, dem uneingeschränkten Herrscher die Wahrheit zu sagen, doch dann erinnerte er sich an die Worte, die ihm der Vater mitgegeben hatte. Tommy schüttelte den Kopf.
    »Antworte!«, befahl Sir .
    »Nein, Sir , ich habe mich nicht geprügelt. Da müssen Sie falsch informiert sein.«
    »Ich bin bestens informiert! Das ist schließlich mein Schiff, Junge, also? Ich warte!«
    »Nein, Sir . Ich habe mich nicht geprügelt.«
    »Ich dulde auf meinem Schiff keine Disziplinlosigkeit, da bin ich verdammt altmodisch!«
    » Sir , das freut mich zu hören, Sir !«
    »Du willst deine Kollegen also nicht anschwärzen? Sie haben dir Unrecht getan! Wehre dich, verrate mir die Namen!«
    » Sir , da bin ich verdammt altmodisch, bei allem Respekt, Sir , Verrat geht gar nicht.«
    Und nun musste der Kapitän dem Bootsjungen doch schnell den Rücken zuwenden, weil er lächeln musste. Er befahl dem Steuernden, drei Grad backbord.
    »Drei Grad backbord, verstanden, Sir !«, kam es aus dem Brückenhaus, während Sir sich wieder umdrehte. Er sagte, Doppelbläser solle sich noch einmal überlegen, welche Antwort er geben wolle. Er sei seinem Kapitän unbedingte Treue schuldig. Und Aufrichtigkeit! Also Wahrheit!
    Tommy zögerte, hielt sich jedoch an die Worte seines Vater, der vor langer Zeit zur See gefahren war: ›Wahrheit entsteht aus der Summe aller ehrlichen Stimmen. Es ist daher eine Unmöglichkeit. Der spreche den ersten Schwur, der noch nie gelogen!‹
    Er sagte: » Sir , es gab keine Auseinandersetzung körperlicher Art.«
    »Also sprachlicher?«
    »Ein bisschen, aber nichts Schlimmes, Sir ! Eben so Gerede halt!«
    »Wie auch immer! Du bist für den Rest der Fahrt vom Dienst freigestellt!«
    »Aber Sir , das können Sie doch nicht machen!«
    »Und ob! – Du wirst deine Ausbildungshefte auf Vordermann bringen und sie mir bis zum Vorabend der Hafeneinfahrt in die Kammer legen. Solltest du Freizeit haben, so stürze dich in die Theorie. Ich werde dich abfragen. – Eines sollen deine Ausbilder an der Berufsschule in Glücksburg wissen: Auf der Rimbaud kennt man sich auch im Theoretischen sehr gut aus! Verstanden? Abmarsch, jetzt!«
    Der Junge nickte und stand auf. Der Mann zeigte zur Tür und wartete, bis Tommy sie von außen geschlossen hatte, ehe er zum Steuernden sagte: »Sehr guter Mann!«
    »Ja, Sir !«
    »Ich dachte schon, er wird Bordschwein und verrät mir die Namen von Güni und dem Basken .«
    »Ich nicht, Sir . – Er ist der Sohn eines Seemanns!«
    »Ja, stimmt! – Aber beide sind Bayern!«
    »Dafür kann doch keiner was, wo einer herkommt. Wichtig ist nur, wo er hinwill! – Sogar Bayern können sich unterordnen, ab und zu!«, sagte der Steuernde: » Sir !«
    »Kann sein! – Wie man an dir sieht.«
    » Sir , Mannheim ist doch nicht . . .«
    »Mannheim ist jetzt egal, verstanden? – Neuer Kurs! – Drei Grad steuerbord!«
    »Verstanden! – Drei Grad steuerbord! Sir «, sagte der Steuernde, während Tommy den Längsgang entlang schlich, das Schott zu seinem Deck aufmachte, hineinging und über die Stille verwundert war, die ihn erfasste.
    Er hatte es geschafft! Die Arbeit war tatsächlich erledigt! Er brauchte nicht mehr raus. Die paar Wale schafften die anderen Männer schon allein. Die anderen Männer, Tommy grinste; Männer wie er halt!
    Er zog sich das Ölzeug aus, den Norweger , die Arbeitshose, das dicke Unterhemd und die wollene Unterhose, die drei Paar Socken fielen auf den Boden, und schließlich saß Tommy nur mit einem Slip bekleidet

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