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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Staates seien es, die begreifen müssten.
    Daraufhin kippten sie den Inhalt des Seesackes noch einmal aus, wühlten darin halbherzig herum und bedeuteten ihm, er solle zusammenpacken.
    Sie winkten ihn durch, und Robert stieg ins Flugzeug, um nach Aden zu fliegen. Wie vereinbart warteten uralter Richard und Opernsänger in der klimatisierten Halle des Flugplatzes auf ihn. Schweigend hielten sie ihm zur Begrüßung eine eiskalte Dose Exportbier hin. Er führte sie an die Lippen, merkte aber, dass sie noch nicht geöffnet war. Uralter Richard nahm sie ihm ab, riss die Lasche kopfschüttelnd auf und fragte: »Hat Mathilde dir ordentlich eingeheizt, oder? Bist ordentlich durch den Wind!«
    Robert trank auf ex, knüllte die Büchse mit einer Hand zusammen und warf sie zu einer Pütz. Ein Wurf, der auch nicht glückte. Uralter Richard winkte nur ab. Dann sagte er aber doch: »Lass das Gequatsche deiner Frau besser hier!«
    »Geht nicht«, sagte Robert: »Diesmal ist es anders. Ich werde euch mal um Rat fragen. Bei Gelegenheit.«
    Opernsänger nickte: »Gut, bei Gelegenheit. Ich bin aber kein Experte in Sachen Scheidungsrecht. Ich weiß nur, man muss die wertvollen Gegenstände zuerst in ein Auto packen, das Auto zu Schrott fahren, die Gegenstände natürlich vorher herausnehmen und verstecken, und dann soll man sich erst mit dem Scheidungsantrag befassen.«
    »Danke für den Tipp, es geht aber um etwas anderes.«
    Sie standen vor der Flughafenhalle und winkten ein Taxi heran. Wenig später fuhren sie zum Liegeort des Trawlers Saudade , und wieder war es der alte Mann, der erleichtert seufzte, als er sein uraltes Heimatschiff sah.
    Er seufzte und stieg noch vor den jüngeren Männern die steile Gangway hoch.
    Sie grüßten die Kollegen, die den Eingang zum Schiff bewachten, und ließen die Seesäcke erst einmal fallen. Wie bei jeder Ankunft gingen sie zur gegenüberliegenden Reling und umfassten die Metallstange, um aufs brackige Wasser zu schauen. Im Hafen herrschte ein Gewirr von Pirogen, Dschunken und anderen Einmastseglern, deren Mannschaften um Plätze an den wenigen Piers stritten. Flüche, Beschwörungen und Verwünschungen wurden gebrüllt, alle Fischer hatten es eilig, ihren Fang in eines der Kühlhäuser der großen Fabriken zu bringen, die sich direkt am Hafen befanden.
    Doch nach knapp einer halben Stunde herrschte Stille im Hafenbecken von Aden. Verlassen lagen die kleinen Schiffe und die Boote an den Leinen. Auf ihnen trockneten Netze und leere Holzkisten, und Robert rang der Küstenfischerei bei diesem Anblick zum ersten Mal etwas Positives ab: Noch keine zehn Uhr und schon war die Arbeit erledigt! Er sah zum Horizont und holte sich viel von der Luft, die die Lunge zum Schwitzen zu bringen schien.
    Auch Opernsänger hielt die Luft lange an, ehe er wieder ausatmete. Mit dem Einatmen nahm er erneut den süßlichsauren Geruch der grauen Schutzfarbe auf, mit der der Anstrich des Schiffes wie bei jeder Hafenphase ausgebessert worden war. Einer Farbe, die bei intensiver Sonneneinstrahlung stets wie Klebstoff stank. Und deren Geruch auch so wirkte. Er drang ins Hirn, verursachte Kopfschmerzen und Übelkeit, aber auch ein Trägheitsgefühl, das schnell in eine Zufriedenheit mündete.
    Süchtig nach dieser Zufriedenheit war Opernsänger schon vor Jahren geworden, als er auf einer Fregatte der Kriegsmarine seinen Wehrdienst ableistete, und noch heute fragte er sich manchmal, ob die Erfinder dieses Lacks das alles genauso geplant hatten. Ob die Seeleute so manipuliert wurden? Wurde ihnen so etwas vorgegaukelt, was gar nicht da war? Der Anstrich als Teil der Heuer? Opernsänger grinste und atmete erneut hörbar ein.
    Er wusste ja, wer nicke, der brauche noch lange nicht gleicher Meinung zu sein.
    Opernsänger ließ den Farbgeruch weiter durchs Hirn strömen, blieb im widerlich süßsauren Gestank kleben und seufzte zufrieden auf. Ihm sank der Kopf auf die Brust, ihm schlossen sich die Augen, und er ließ sich tief in den widerwärtigen Duft des Stillstands fallen; zufrieden.
    Ein Zustand, aus dem er erst gerettet werden konnte, wenn die Dieselmotoren angeworfen wurden und wenn der erste Hol geschlachtet wurde. So lange herrsche die aufgeheizte Fäulnis des übermalten Rostes, die sich mit der grauen Farbe zur Bilge der letzten dreißig Jahre verbinde, meinte Opernsänger , und die während der Hafentage langsam hervorgekrochen komme, um das Kommando zu übernehmen. Und passe man in diesen motorlosen Zeiten nicht verdammt

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