Letzte Fischer
Mathilde musterte ihn von der Seite, als er sofort ein Gespräch mit den Heranwachsenden anfing. Er hatte ihr im Vertrauen erzählt, er sei zwar Junggeselle, aber jetzt überlege er es sich noch einmal. Kinder seien ja so etwas Erfrischendes. So etwas Verjüngendes. Und so etwas herrlich Nervendes. Da könne doch kein Buch und kein Job der Welt mithalten. Ob Mathilde denn verheiratet sei?
Verheiratet und zum Gebären zu alt.
Er war knallrot geworden, erinnerte sich Mathilde und dachte: ›Diese Künstler! Wenn wir unsere Künstler nicht hätten! Die reinsten Kinder.‹
»Na, dann geht es gleich mit dem Fußball los, oder?«, fragte er die Jungs, die zwischen sechzehn und achtzehn Jahre alt waren: »Werdet ihr doch schaffen, oder? Vier fast Erwachsene gegen zehn Steppkes?«
»Naja, wird knapp«, meinte einer der Jungs: »Wäre schon gut, wenn Sie uns helfen würden!«
»Meint ihr? Im Ernst? Ich bin doch zu alt dafür?«
»Quatsch, Sie sind doch auch noch jung!«
»Also, wenn ihr mich haben wollt, dann sagt einfach Bescheid.«
»Bescheid!«, rief der Junge und fügte hinzu, Herr Schneider sei voll in Ordnung. Mathilde sah zu dem Mann, der Geheimratsecken und einen dicken Bauch hatte, und dachte: ›Der geborene Helfer! Wie er die Kinder in seinem Unterricht motiviert hat! Ganz ohne pädagogische Ausbildung hat er das ewige Wechselspiel zwischen Anforderung und Vermittlung hervorragend gemeistert. Die heranwachsenden Mädchen waren mit dem Chemieunterricht sogar eine ganze Stunde früher fertig geworden. Ein Naturtalent, nur schade, dass Frau Schmitt ihn nicht mag.‹ Er sei ihr zu quirlig, teilweise zu kindisch, und ganz geheuer sei ihr der Mann auch nicht, der so verrückte Geschichten erzähle. Mathilde hatte geantwortet, Frau Schmitt trage nur die Last der Verantwortung, und leider nehme sie alles persönlich. Der Schneider tue dies nicht und habe daher mehr Erfolg. Ein Kind wolle schon ernstgenommen werden, aber es wolle nicht gleich der beste Freund des Lehrers werden. Das spüre Herr Schneider, so bleibe er immer auf Abstand, aber Frau Schmitt leider nicht. Für Herrn Schneider seien die Kinder mehr Kameraden, Kameraden, die das Abenteuer Wissen erleben, für Frau Schmitt sei es mehr Ernst, Last und Theorie, und das spüre der Schüler, die Schülerin. Und natürlich war Frau Schmitt, die Biologie und Geschichte unterrichtet hatte, verstimmt gewesen, aber das hatte Mathilde nichts ausgemacht. Sie ließ die Kippe fallen und sagte: »Herr Schneider! Sie müssen dann aber Stürmer sein!«
»Ja!«, grölten die Teenager auf, die mit untrüglichem Gespür eine Gaudi witterten.
»Ja, wenn ihr wollt, Jungs, ich meine, für ein Viertelstündchen wird es bestimmt reichen.«
Die Jungs klopften ihm sogar auf die Schulter, als sie die Raucherinsel verließen, und der letzte meinte, er zähle auf ihn!
Ein strahlender Herr Schneider blieb zurück, der sich neben Mathilde auf die Holzleiste setzte, die als Bank diente. Er sagte: »Mein Gott, was für eine Woche! – Können einen ganz schön schaffen, so viele Kinder, was, Frau Rösch!«
»Auf jeden Fall. Sie haben aber gut gekämpft, Herr Schneider! – Ich fand es sehr gut, dass den Kinders so wenig Freizeit blieb. Immer beschäftigt waren sie doch, oder?«
»Ja, die Kanufahrt, das war wohl der Höhepunkt. Wie sie die langen Boote zum Ufer schleppen mussten, und dann immer ein Teenager und zwei Kleine in ein Boot. Schwimmweste um und los! Da haben die Älteren gut Verantwortung gelernt. Und gar kein Streit zwischen den Altersgruppen, also ich dachte ja, es gibt bei fast dreißig Kindern immer nur Streit. Aber überhaupt kein Gemecker. Und der Fasching war auch toll, wie wir alle auf den Tischen getanzt haben! Und das Basteln der Kostüme, da waren sie ja zwei Tage mit beschäftigt. – Und dann die Nachtwanderung, davor das Holzsuchen, als Sie den Kindern alles über Bäume beigebracht haben! Also, sehr interessant! Fand ich. Wirklich.«
»Ja, aber ihr astronomischer Vortrag war viel interessanter. Da lagen doch die Kinder auf den Decken und haben die Sternbilder gesucht – und sogar gefunden! Ich ja nicht. Ich bin dafür zu kurzsichtig, aber das hat bei den Schülern richtig reingehauen. – Sagen Sie mal, Herr Schneider, Sie sind doch ein Mann.«
»Ja, kann man so sagen«, sagte er und lächelte unsicher: »Haben Sie ein Problem, Frau Rösch? – Männer lösen Probleme, wissen Sie ja. Vom Seemannsknoten bis zur Raumstation.«
»Mehr eine Frage«, sagte
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