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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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– Das meinen Sie doch! Das eigene Denken so formulieren zu können, dass es andere interessiert.«
    »Interessiert und weiterhilft! Ich bin Optimist.«
    »Also, dann könnte aus einem vaterlosen Sohn doch noch etwas werden, wenn er die Last der eigenen Existenz nicht so sehr spürt und Verantwortung für andere übernimmt? Ja, ich verstehe. Als Robert bei seiner Mutter aufwuchs, musste er fast alle Pflichten übernehmen, die sonst der Ehemann erfüllt. Das kann so einen kleinen Buben schon fertig machen!«
    »Oh, eine ganz fiese Sache, wenn das Kind der Ersatzmann der Mutter werden soll! Das ist schon fast Missbrauch und fies von der Mutter! Das überfordert den Jungen ja. Meine alleinerziehende Mutter hatte noch ein Kind gekriegt, als ich fünfzehn war, da musste ich auch noch den Ersatzvater spielen, mitten in der Pubertät! Das hatte mir den Rest gegeben: Alkohol, Depression, die ganze Packung. – Um alles Familiäre habe ich immer einen riesigen Bogen gemacht, aber jetzt bin ich irgendwie drüber weg. Ich hab versucht, Verantwortung für die Kinder hier zu übernehmen. Und ein Urvertrauen zum Leben zu finden. Hab ich mich sehr lächerlich gemacht?«
    »Für einen Anfänger, der kein väterliches Vorbild hat, waren Sie auszuhalten. Ein bisschen überbesorgt.«
    »Ich danke Ihnen! Für mich war diese Woche hier wichtiger als jede Therapie. Ich meine, Demenzkranken gibt man ja auch Haustiere!«
    Sie lachten, ehe Mathilde sagte: »Sie haben Recht, Roberts Mutter hat von Robert immer nur erwartet, dass er funktioniert. Und er funktionierte. Er bekam Taschengeld und kaufte sich davon die Klamotten selbst. Er kaufte sich auch Lebensmittel selbst, während sie auf Arbeit war. Er bekam Geld, um sich allein zurecht zu finden und kennenzulernen. Keinerlei Hilfe bei der Suche, ein ewig Suchender. Keine Elterngefühle, keine helfenden Gedanken, er hat seine Entwicklung allein und selbst nach vorne treiben müssen. Dafür brauchte er länger als andere Kinder, denen alles vorgesetzt wurde, die mit Fragen in bestimmte Richtungen gelenkt wurden, deren Eltern interessiert waren, moderne Erziehung eben. Robert dagegen war für jeden Schritt, den er tat, selbst verantwortlich, und daher fragte er sich dann irgendwann, ob er diesen oder jenen überhaupt noch machen sollte. Das hemmt Entwicklung zwangsläufig.«
    »Zwangsläufig. – Keine Diskussion! Ich werde mit Ihrem Mann mal ein unverbindliches Bier trinken, wenn er wieder zu Hause ist! Keine Diskussion!«
    »Keine Diskussion.«
    »Wenn Sie mal zuhören, viele Mütter fragen ihre Kinder andauernd, wollen wir dies oder das machen. Das ist falsch, damit überlassen sie die Entscheidung Kinderköpfen, Köpfen, die noch gar nicht entscheiden können. Sie wollen aber helfen. So überfordert man sie. Die Mutter muss doch die Richtung bestimmen, nicht das Kind. Die Mutter muss mutig voranschreiten und darf sich nicht feige hinter dem Kind verstecken. Dann heißt es immer, das Kind wollte doch dies oder jenes. Und die Mama steht strahlend da. Falscher Glanz! Katzengold!«
    »Und das Kind ist von der ganzen Fragerei irgendwann nur noch genervt. Mein Gott, Herr Schneider, Sie erstaunen mich immer mehr. – Schade, das Spiel geht weiter«, sagte Mathilde: »Ich freue mich, Sie kennengelernt zu haben. Aber nun zeigen Sie es dem übermächtigen Gegner der Zwerge und schießen Sie endlich ein Tor!«
    »Ich versuche es«, sagte Herr Schneider, stand mit einem Stöhnen auf, biss die Zähne aufeinander und humpelte aufs Spielfeld.
    »Meine Jungs brauchen mich doch!«, rief er und lachte.
    Mathilde nickte und feuerte ihn an, als Frau Schmitt das Spiel wieder anpfiff.
    ›Und der Wind wird dir helfen‹, dachte sie: ›Der Wind verbindet alles. Dem Wind ist jeder alles. – Wenn der Wind mal nicht da ist, wird jedes Leben apathisch. Man glaubt an den brüllenden Wind, vor der Flaute hat man eine Höllenangst. Stillstand ist der Tod. Man hofft immer auf den Wind. Man liefert sich ihm aus, die Flaute will man immer umschiffen. Man sehnt bei seiner Abwesenheit seine Rückkehr herbei, um ihm das eigene Leben anzuvertrauen. Man ist froh, wenn er entscheidet und einen von der ewigen Selbstverantwortung ein paar Stunden erlöst. Hingabe und Demut sind die Gesten, mit denen das Leben dem Wind begegnet. So hält man Zwiesprache mit dem Übersinnlichen, Flaute jedoch macht apathisch und will das Leben nur abtöten. – Müssen das nicht auch Roberts Erfahrungen sein? Könnte er eines Tages vielleicht

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