Letzte Fischer
sie und sah dem Mann ins Gesicht. Er nickte, ernst geworden, und wartete. Mathilde brauchte noch einen Augenblick, ehe sie sagte: »Es ist so. Was halten Sie von Fischfarmen?«
»Gute Sache!«
»Nun, mein Mann ist Hochseefischer. Und ich habe ihm nahegelegt, dass es mir gefallen würde, wenn er der See den Rücken kehrte und als Fischwirt in meiner Nähe arbeitete. – Meinen Sie, Sie als Wissenschaftler, man kann heutzutage mit gutem Gewissen in die Fischaufzucht einsteigen?«
Herr Schneider senkte den Blick und überlegte eine Weile. Er sammelte die Informationen zusammen, die er über Fischfarmen im Kopf hatte, und nickte schließlich: »Wir sind ja nicht in Chile! Oder? Da soll es ja schlimm sein. Ich las kürzlich einen Artikel über Südchile. Infektionskrankheiten und völlige Ausbeutung, das ist sicher nichts. – Aber hier in Deutschland sehe ich keinen Grund dafür, es nicht zu tun. So ein Betrieb darf nur nie zu groß werden. Das ist ja in der Wirtschaft immer das Problem. Wenn ein Betrieb zu schnell wächst, dann bricht er zusammen. – Was ich Ihnen raten würde, wäre, gut auszusortieren. Wählen Sie für Ihren Mann einen Kleinbetrieb. Vielleicht zwanzig Angestellte. Vergewissern Sie sich, dass die Betreiber nicht um jeden Preis wachsen wollen, dann bleiben auch die Fische gesund.«
»Über den Aspekt habe ich noch gar nicht nachgedacht. Das stimmt, ich finde, da haben Sie Recht. Weniger Stress für die Fische, das heißt auch, weniger Stress für die Mitarbeiter.«
Herr Schneider lächelte: »Ja, vielleicht.«
»Und sagen Sie: Die Fischzucht im Allgemeinen, kann man da mit gutem Gewissen arbeiten?«
»Ich bin auch kein Experte. Aber bis auf die Ernährung mit Fischmehl scheint das alles ziemlich ökologisch und zukunftsorientiert zu sein, nein, nein, suchen Sie Ihrem Mann ruhig so eine Arbeitsstelle. Ich halte das für eine gute Idee!«
»Na ja, in Wahrheit habe ich das schon!«
»Und warum fragen Sie mich dann? – Nein, nein, diese Frauen! – Keine langen Reden, erst einmal anfangen und sich dann den Rat suchen, den man braucht, oder?«
»Nennt man das nicht ein wenig altmodisch: ›Erfolg haben‹?«
Herr Schneider lächelte: »Also haben Sie schon einen Arbeitsplatz gefunden?«
»Und ich bin sehr froh darüber. Sie haben doch gesehen, dass ich in jeder freien Minute am Handy hing. Da habe ich alle betreffenden Firmen angerufen. Bei vielen kam ich gar nicht bis zum Chef durch, aber ja: Bei Demmin in Vorpommern, da würden sie meinen Mann mit seiner Erfahrung gerne einstellen, sehr gerne. Ich solle pro forma eine Bewerbung schicken, und nun überlege ich, ob ich das tun soll, ohne vorher mit Robert gesprochen zu haben. – Wissen Sie, ich würde es sehr gerne machen und ihn überraschen.«
»Frau Rösch, tun Sie das! Überraschen Sie Ihren Mann! Machen Sie gleich Nägel mit Köpfen. Gleich einen Vorvertrag unterschreiben, handeln Sie schon mal das Honorar aus, und dann zeigen Sie ihrem Mann die Papiere, und dann wird er schon nicht ›nein‹ sagen. Bestimmt wird er froh sein, dass Sie aktiv geworden sind. Denn Sie haben es doch aus Liebe zu ihm getan. Ach ja, die Liebe, die Frauen, die Kinder, ich fühle mich zwanzig Jahre jünger. Und Sie wollen nun auch noch meinen Rat als Mann, herrlich! – So, aber nun ist Schluss mit der Träumerei! Ich muss mein Sporttrikot holen! Mich aufwärmen, ich darf dann keine Zerrung bekommen. Ich will ja meine Jungs nicht blamieren. Frau Rösch, sind Sie Fan? Wir brauchen laute und agile und vitale Fans!«
»Aber natürlich, Herr Schneider! Ich bin da, verlassen Sie sich auf mich! Und: Ich will Sie siegen sehen!«
»Okay! Ich gebe mein Bestes. – Und Sie, Sie schicken noch am Wochenende die Bewerbung für Ihren Mann ab. Kann ja auch sein, der Job ist nächste Woche schon weg, wenn Sie sich jetzt nicht melden! Fischzucht ist Zukunft! Schweine und Kühe waren gestern, jetzt kommt die Fischzucht!«, sagte Herr Schneider, joggte los, drehte sich beim lockeren Laufen um und winkte Mathilde zu.
Mathilde hielt ihm grüßend beide Daumen hoch und dachte: ›Und dieser Mensch ist nun ein erfolgreicher Geschäftsmann! Man würde es nicht glauben!‹
Sie hatte einige der Mädchen überzeugt, sich das Fußballspiel anzusehen, so dass eine neunköpfige Fantruppe am Feldrand stand und die Teams anfeuerte. Die Mädchen vergaßen schnell ihre Gespräche, und besonders wenn Timo, ein sechzehnjähriger Blondschopf, den Ball verteidigte, gab es laute
Weitere Kostenlose Bücher