Letzte Fischer
Kneifzangen seien bereitzuhalten.
»Du glaubst also auch, die ziehen das wirklich durch?«, fragte Thomas.
»Sind doch auch Deutsche dabei«, sagte Luise und fügte hinzu, ein Deutscher könne nun mal schlecht erkennen, wann etwas vorbei sei und wann nicht.
»So wie du!«, sagte Thomas.
Luise nickte und gab den nächsten Befehl: »Team Eins: Aussetzen des Schlingerkurses! Volle Kraft voraus!«
»Volle Kraft voraus!«, bestätigte Sir .
Sofort wurde die Rimbaud schneller. Sie heizte mit allem, was sie hatte, über die See, auch wenn es nicht viel war. Luise fieberte mit, der alte Walfänger möge zum Luftkissenboot mutieren.
Was aber nicht geschah. Fast träge stampfte das schwer beladene Schiff durch die Wellen, musste Luise erkennen und zusehen, wie die Schlauchboote schnell wieder aufholten.
»Hier Team Drei«, sagte der Baske : »Könnte einen guten Schuss abgeben. Könnte in etwa einer halben Minute auch blind treffen. Vier minus eins macht drei!«
Sofort sagte Luise: »Keine Schusserlaubnis, wiederholen, Team Drei, keine Schusserlaubnis. Warten auf weitere Befehle.«
»Kein Schuss, schon gut«, sagte der Chefharpunier.
Luise sah zum Bug, wo der Baske sich umdrehte und mit dem Zeigefinger an einen imaginären Mützenrand schlug. Er saß hinter seiner Bugkanone und streckte die Beine aus.
»Team Acht meldet: Verminung beendet. Stacheldraht ist verarbeitet. Hier kommt keiner mehr rüber. Die reißen sich die Pfoten auf, wenn sie auch nur daran denken!«
»In Ordnung, Rückzug auf Gefechtsposition, Team Acht, wiederholen«, sagte Luise, ehe Thomas übers gesamte Deck schrie, man solle sich gebückt zurückziehen.
»Verstanden!«, hörte Luise den Teamleiter sagen, ehe er erneut stöhnte: »Gebückter Rückzug aufs Mitteldeck. Warten auf weitere Befehle. Ende.«
Wieder umkreisten die Schlauchboote das Walfangschiff, wobei sich je zwei an Heck und Bug trafen.
Selbständig hatte Team Eins wieder den Schlingerkurs aufgenommen. Luise war froh, einen mitdenkenden Kapitän an Bord zu haben, der sich nicht querstelle, weil ihm das Kommando vorübergehend abgenommen worden sei.
Sie sah einen der Bunten das Megaphon einschalten und sagte schnell ins Sprechgerät: »Team Eins, machen Sie doch wieder Bordmusik. Das wird den Gegner schön aus der Fassung bringen.«
»Wir haben sogar etwas Spezielles für Greenpeace -Aktivisten dabei«, sagte der Kapitän.
Wenig später hörte Luise einen merkwürdigen Popsong. Sie filterte ein Schlagzeug heraus, zwei Gitarren, auch sang da jemand ein paar Worte, aber das alles war eher als Hintergrundmusik gedacht.
Im Vordergrund war etwas Anderes zu hören, etwas Fremdes; sie brauchte einen Moment, ehe sie Hunderttausende von Walstimmen ausmachte, die zu einem Chor zusammengeschnitten waren. Sie schüttelte den Kopf.
»Das gibt Ärger!«, sagte Thomas lachend.
Luise nickte: »Ist doch gut! – Emotionen verhindern klares Denken.«
»Genau«, sagte Bolek: »Holen wir sie aus der Reserve und gucken, wie klein ihre Eier sind!«
Oleg lachte und fügte hinzu: »Neue Besen kehren gut, aber alte wissen, wo die Ecken sind!«
Luise sah, wie der Anführer der Umweltschützer das Megaphon sinken ließ und zornig herüberblickte. Er drehte sich halb um und gab einen kurzen Befehl.
Auf allen Booten wurden die Planen zurückgeschlagen. Metall reflektierte.
»Es geht los«, sagte Luise. »Fertig machen!«
»Ja«, sagte Thomas: »Endlich!«
»Leute, unterschätzt diese Verwirrten da drüben bitte nicht«, sagte Luise: »Ihre Ziele sind zwar kindisch, aber sie selbst sind es nicht. Achtundsiebzig Prozent von ihnen haben eine militärische oder paramilitärische Ausbildung gemacht. Also: ›Übermut tut selten gut!‹«
»Umso besser! Gegen Kinder kämpft es sich auch immer schwerer als gegen Erwachsene«, sagte Oleg: »Ich erinnere nur an Ghana!«
Bei diesem Landesnamen fiel Luise nicht etwa die Kinderarmee ein, die letztes Jahr um diese Zeit ihr Lager gestürmt hatte, sie dachte vielmehr an Robert Rösch und hatte für ein paar Momente ein eigenartig flaues Gefühl in der Magengegend.
»›Sie leben in einer Gemeinschaft von Zölibatären, geraten ständig hart aneinander und werden folglich, was ihre Gefühle angeht, immer abgestumpfter. Oft scheint es mir undenkbar, dass sie alle Mütter hatten. Für mich sah es aus, als wären sie halb Tier, halb Mensch, eine eigene Rasse, in der es keine Geschlechter gab, als würden sie entweder von der Sonne ausgebrütet wie die Eier der
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