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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Männlichkeit?«
    »Ich schätze, die Antwort ist ganz einfach«, sagte Tommy und sah auf seinen Schoß.
    Luise lächelte, während sie sagte: »Ja, das auch! Es ist wirklich ganz einfach. Das Männliche ist das, was von einem Mann erwartet wird. Eigenschaften und Verhaltensweisen, die Männer von Männern erwarten. Eigenschaften und Verhaltensweisen, die den Unterschied zur Frau ausmachen. Das Dumme ist nur, dass Männlichkeit nicht in die Wiege gelegt wird. Sie muss erkämpft werden, täglich, in vielen kleinen Kämpfen mit anderen Jungs und Männern muss sie ehrenvoll erworben werden. Die Anerkennung der anderen Männer zeichnet zum Mann aus. Ein künstlicher Zustand, eine Herausforderung, die es zu bestehen gilt, die auch du bestehen musst.«
    »Ich?«
    »Ja, darum bist du auf den Walfänger gekommen. Das zeichnet dich aus. Du willst um die Anerkennung kämpfen, auch wenn du scheitern könntest. Du willst das ehrliche Ringen .«
    »Wirklich? – Das ehrliche Ringen«, flüsterte Tommy ehrfürchtig, ehe er meinte, er sei sich da nicht so sicher wie sie.
    »Aber ja, die meisten Jungs und jungen Männer führen ihre Kämpfe heute doch im Computerspiel. Du hingegen hast die reale Gefahr gesucht. Du stehst mit dem Rücken zur Reling, denn du könntest tatsächlich und wirklich scheitern. Du willst die Achtung dieser Walfänger hier, und die wirst du dir erkämpfen. Mir ist nur noch ein Rätsel, wie du das anstellen willst.«
    »Warum?«
    »Bei den Ärmchen und bei den langen Haaren. Ich meine, ich finde dich ja hübsch, aber ich bin eine Frau. Wenn du den Kerlen allzu feminin kommst, dann werden sie dich abstoßen und gar nicht erst in den Kreis der Wettkämpfe und Spiele lassen.«
    »Was?«, fragte Tommy, der bei ›hübsch‹ und ›Frau‹ aufgehört hatte, zuzuhören.
    »Na ja, ich schätze, dir wird schon einfallen, worin du besser als die anderen Männer bist. Ich habe da auch schon so eine Ahnung«, sagte Luise und sah Tommy direkt in die Augen.
    Zuerst wich er dem Blick aus, doch dann konnte er nicht anders, als sich in ihren Pupillen zu verlieren. Schüchtern legte er eine Hand auf einen ihrer Schenkel. Sein Herz raste.
    »Wer den Jungen nicht kämpfen lässt, der kastriert ihn«, sagte Luise leise, wobei sie tat, als habe sie Tommys Berührung nicht bemerkt: »Er muss wirkliche Kämpfe meistern, sonst wird er ein Versager. Kastrierte Jungs werden ihr Leben lang nett sein, nur nicht zu sich selbst. – Weißt du, was beim Stamme der Fuchsindianer in Iowa gilt?«
    »Nein.«
    »Bei den Fuchsindianern heißt es, ein wirklicher Mann zu sein, das ist die Große Unmöglichkeit . Verstehst du? Für sie ist das ein Ideal. Ein Traumbild. Dabei sind es doch ganz überschaubare Aufgaben, die ein Mann zu erfüllen hat. Er muss fähig sein, eine Frau zu schwängern, er muss fähig sein, die Familie zu beschützen, er muss fähig sein, die Familie zu versorgen. Eigentlich doch nicht zu kompliziert, wenn man es mit den Augen der Fuchsindianer sieht, oder?«
    »Ich wäre ein sehr guter Fuchsindianer «, sagte Tommy und lächelte Luise an, die schon lange nicht mehr auf das Meer achtete: »Ich würde sogar noch einen Baum pflanzen und ein ganzes Buch in dessen Rinde ritzen. Drumherum würde ich einen Garten bauen und an den Garten ein Haus!«
    Luise nickte, ließ seinen Blick in ihrem schwimmen, ehe sie sagte: »Du bist gefährlich, Tommy! Die vierte und letzte Aufgabe fehlt aber noch, die einem Jungen gestellt wird, um ein Mann zu sein. Und an der könntest du scheitern.«
    »Die wäre?«
    »Ein Mann muss sich männlich unter Männern verhalten.«
    »Was heißt das?«
    »Siehst du! Da haben wir deine Schwachstelle!«
    »Was heißt das? – Lass mich dumm sterben, aber nicht jetzt und nicht hier!«
    »Das heißt, dass man nicht permanent die Familie beschützen kann. Man kann sie nicht immer versorgen, und man kann nicht immerzu die eigene Frau schwängern. Der Mann muss sich auch unter Männern behaupten, das ist für ihn überlebenswichtig. Weg von der Familie muss er unter Männern sein. Männlichkeit umfasst Symbole, Uniformen, Kampfgesänge, Spielregeln. Ja, alles was du hier findest. Darum habe ich Achtung vor dir. Du bist in die Männerwelt hineingesprungen, als du hier angeheuert hast. Aber wirst du hier bestehen? Sie werden dir nichts schenken! Männlichkeit ist ein Hauptberuf, den sie ausführen müssen. Daher sind sie so sauer auf mich.«
    »Auf dich?«
    Luise nickte: »Sie fühlen sich in die Ecke gedrängt. Sie

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