Letzte Fischer
sehen sich Fußballspiele an, bauen Modelleisenbahnen. So betäuben sie mit diesen Hobbys ihren Urwunsch, den Weg bis zum Ende zu gehen. Die Familienverpflichtungen hinter sich zu lassen und sich den Jungenwunsch zu erfüllen, davon träumen sie. Sie frönen ihren Hobbys, aber glücklich macht sie das nicht. Sie leiden halt nur zum Wohle der Kinder, zur Beruhigung der Frau, zum Abbezahlen der Darlehen. Standhaft harren sie unter der Geißel des Kredits aus. – Dabei wären in Wirklichkeit doch alle Männer am liebsten Hochseefischer. Ja, und du tust es! Du tust das, wovon du schon lange geträumt hast. Du tust es und lässt dich nicht davon abbringen. Noch nicht. Also, wer bist du Tommy Rahr? Was bist du?«
»Ich weiß nur, was ich sein werde! Ich werde einst einer der letzten Hochseefischer sein! Davon werde ich später erzählen! In Büchern. Ich notiere mir alles. – Aber deine Sätze, die haben mich verwirrt, das musst du mir alles, fürchte ich, noch einmal genau erklären.«
»Lieber nicht! Ich habe schon zuviel gesagt!«
Tommy nickte, und woher er auf einmal den Mut hatte, ganz dicht an Luise heranzukommen und sie zärtlich auf die Lippen zu küssen, wusste er nicht. Und es war ihm auch egal, als er ihre Zunge in seinem Mund spürte und im Schwanz sein stark pulsierende Blut.
Sie gab Tommy einen Kuss, kam von der Pritsche herunter und zog sich an. Sie spürte, wie er ihre Brüste musterte, und hüpfte ein paar Mal, während sie sich die Hose anzog. Wie verträumt er grinste! Luise musste einfach noch einmal zu ihm hingehen, ihn küssen, ehe sie ihm einen leichten Klaps gab und ihn aufforderte, auch endlich aufzustehen und sich anzuziehen.
Sie kam zuerst aus dem Krankenzimmer und ging in die Messe. Noch immer war die Rimbaud auf dem Weg ins Fanggebiet, Luise sah den Raum mit Männern überfüllt. Dicke, unwirsche Männer, die ihre Langeweile nicht verstecken konnten, die wohl gar nichts kaschieren konnten. Sie saßen da, schwiegen, tranken Kaffee und rauchten eine Zigarette nach der anderen. Einige hoben den Blick, als sie hereinkam, aber die meisten nahmen keine Notiz von ihr. Sie holte sich an der Ausgabe einen Tee, ging zu ihren Kameraden und sah wenig später, wie Tommy hereinkam, sich einen Kaffee zog und sich zum Basken setzte, der dem Jungen kräftig auf die Schulter schlug, was ihr gar nicht gefiel. Schon waren ihre Oberschenkelmuskeln angespannt, ehe sie sich zur Ruhe zwang. Sie musterte den Chefharpunier: klein wie die meisten Bergbewohner aber ein Brustkorb wie ein Stier. Und Oberarme wie ein Gorilla. Das wäre doch mal ein Gegner! Luise lächelte, pustete auf den Tee und hörte den Ersten Offizier fragen, ob das nicht übertrieben sei.
Sie sah Thomas bedächtig den Kopf schütteln, dann sagte er: »Heutzutage jagen maskierte Piraten mit Schnellbooten die größten Frachter die ganze Nacht hindurch, wenn es sein muss. Sie entern mit Hilfe von Wurfankern und Bambusstangen. Minuten später ist die Crew überwältigt, der Safe leer. Sie sind ruck, zuck wieder in ihren Booten und zählen in der Schwärze der Nacht ihre Beute. Also jeder, der sein Boot mit einem zusätzlichen Motor ausrüsten und sich Bambusstangen und Wurfanker besorgen kann, der kann Pirat sein. Diese Boote haben neunhundert PS! Überfälle finden meistens von Donnerstag bis Sonntag statt, weil die Männer dann frei haben. Es ist für sie mehr ein Wochenendjob, verstehen Sie, Eins O ? Der japanischen Wirtschaft zum Beispiel kostete diese Piraterie in der Straße von Malakka in den letzten fünf Jahren vierhundertzwanzig Millionen Dollar! Die Malakkastraße galt lange als die gefährlichste Ecke der Welt, doch heute ist es die Küste vor Somalia. Aber da, vor Malakka, diese Tausenden zerklüfteten Inseln, da kommen die Piraten sogar am Tag und bekommen wenig später Unterschlupf von den eigenen Behörden, denen sie etwas vom Fang abgeben. Piraterie wird dort von den Politikern und Beamten gedeckt, tja, und was will man dagegen machen?«
» Heavies engagieren, Sicherheitsleute wie uns«, sagte Luise: »Mittlerweile gibt’s schon Agenturen, die unsereins zur Piratenabwehr vermitteln. Ehemalige Soldaten und Söldner, gutes Personal! Oder man richtet sich eine Piratenbörse ein. Gibt ihnen das wenige Geld, und sie sind zufrieden, so geht’s mit den meisten Piraten noch glimpflich ab, weil sie privat arbeiten. – Jim hat erzählt, im November haben die Arbeiter der ›Guandong Shunde Shipwrecking Company‹ beim Abwracken des
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