Letzte Fischer
Sprengladung und betäubte den Wal. Alles wie im Schulbuch, stellte Tommy fest und stutzte dann.
Sollte ihn doch betäuben! – Tommy riss die Augen weit auf.
Der Wal sprang hoch, warf sich aufs Wasser und hielt direkt auf das Schiff zu. Seine Schnauze war aufgerissen, mit dem Schwanz peitschte er wütend den Ozean. Tommy stockte das Herz.
Der Wal aber hatte noch keine halbe Seemeile geschafft, als der Baske auf einen roten Knopf drückte. Der Fernzünder wurde ausgelöst, und sofort zerfetzte eine zweite Explosion die Innereien des Wals.
Nirgends Blut, nirgends ein Krater im Wal, keine aufgerissene Wunde, gar nichts Ekliges wie beim Töten anderer Tiere. Tommy konnte kaum fassen, dass die Haut des Wals so zäh war, dass sie einer Explosion standhielt, die an Land ganze Hochhäuser zum Einsturz bringen würde. Tommy spuckte bewundernd aus und traf die Reling des Bugspriets.
Das tote Tier trieb bäuchlings im Seegang, begann aber schon zu sinken. Sechzig Tonnen, die jedes Schiff mit sich in die Tiefe reißen würden. Würden! Tommy sah zufrieden auf den Basken , der eine zweite Harpune aufsetzte, grob zielte und das Gerät schnell abfeuerte.
Sie rammte sich in den Kadaver, und sofort wurde über diese Leitung Luft ins tote Tier gedrückt, so dass die sechzig Tonnen an der Oberfläche blieben. Dank der zähen Haut, ging es Tommy durch den Kopf. War es die Haut, die ihm jetzt zum Verhängnis geworden war, nachdem sie ihn so lange beschützt hatte? Teufel auch! Wieder spuckte der Bootsjunge anerkennend aus.
Tommy sah zum Basken , der sich zu ihm umgedreht hatte und ihn angrinste. Der Junge zog auch die Handschuhe aus, sie klatschten sich ab, ehe Tommy fragend auf den kleinen Wal deutete, der sich an der Leiche der Mutter herumtrieb und herzzerreißende Töne ausstieß.
Der Baske stand auf, machte den Platz frei und sagte: »Der ist für dich, du verdammtes Weichei!«
»Für mich?«, brüllte Tommy entgeistert zurück, ehe er verstand. »Nein, kein Baby, bitte nicht!«
»Sei ein Mann!«
Tommy schüttelte panisch den Kopf.
»Hinsetzen!«
Tommy gehorchte. Widerwillig.
»Laden!«
Der Bootsjunge fand die Harpunen unter dem Sitz, ganz so wie es in den Schulbüchern stand. Er legte eine in das Abschussgerät, sah zum Basken und schüttelte fragend und bittend den Kopf.
»Zielen!«
Tommy nickte und sah zum Walkind. Er musterte es, musterte es über Kimme und Korn, und wie vorgeschrieben hob er die linke Hand, faustete sie, das Schiff legte sich in den Wind, die Männer hielten den Atem an, und als der kleine Wal gerade eine Fontäne ausstieß, da drückte Tommy ab.
Der Speer drang ein, das Kind warf sich hin und her, Tommy drückte sofort den roten Knopf. Die Explosion wurde ausgelöst, und sogleich war das Walkind tot. Der Junge positionierte die zweite Harpune, schoss sie ab und legte so die Druckluftleitung zum Kadaver.
»Gute Arbeit«, hörte er den Basken und stand auf. »Das nächste Mal berechne aber die Größe des Fangs mit! Für so einen kleinen Fang brauchst du nicht das große Eisen zu nehmen. – Sonst: Eins bis zwei.«
Tommy nickte und drückte sich am Basken vorbei. Er wollte jetzt nur noch an die Reling der Leeseite und einen ruhigen Blick auf seinen ersten Wal werfen.
Nein, er wollte mit dem Handy kein Foto machen! Er konnte sich schon vorstellen, wie sie ihn in München dann nennen würden: ›Kindsmörder!‹
Lieber fotografierte er den großen Wal, bisschen Flunkerei gehöre schließlich zum Beruf dazu, meinte er.
›Seemannsgarn ist auch ein Garn‹, wie sein Vater immer sagte: ›Das hält sogar besser als so manch anderes Garn.‹
»Na, woran denkst du?«, fragte ihn der alte Schmelzer : »Ganz schöner Klopper , was?«
Tommy nickte und sagte: »Eben ein Doppelbläser !«
Er hatte sein Handy wieder weggesteckt und lehnte mit den Unterarmen auf der Reling. Der Wal wurde vom Seegang gegen das Schiff gedrückt. Einige Männer waren damit beschäftigt, das Tier fest an den Schiffsrumpf zu binden. Sie schrien und fluchten ununterbrochen, gerieten aber nicht in Hektik.
»Ein was?«, fragte der alte Schmelzer und sah Tommy ungläubig an: »Was soll das sein?«
»Ein Doppelbläser . Selten unter Blauwalen«, sagte Tommy unbekümmert, bevor er merkte, dass er vom alten Fänger angestarrt wurde. Er drehte sich zu ihm und sah den Schalk in dessen Augenwinkeln.
»Was?«, fragte er: »Was ist? – Der hat doch zweimal geblasen! Zwei Fontänen. Ich bringe Glück, meint der Baske .«
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