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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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zum Beispiel ist das Achterdeck abgeschnitten und fällt vom Fangdeck aus vier Meter ab. Das sind also nur dreieinhalb Meter vom Meer aus, die jeder schnell überwinden kann«, sagte Thomas: »Es gibt Syndikate, die haben ihren Sitz mitten in Europa! Beste Londoner oder Berliner Geschäftsadressen! Sollte man nicht glauben, dass die Hintermänner in Europa oder Asien oder in den USA sitzen. Vor Ort heuern sie dann die Piraten an, die auf hoher See hijacken. Ähnlich den legendären Geisterschiffen verschwinden dann ganze Frachter buchstäblich vom Bildschirm. Man braucht nur das ›AIS‹ auszuschalten, und schon gibt es den Kahn nicht mehr. Mitsamt der Ladung und der Crew. Manche Schiffe tauchen Jahre später mit neuem Namen und neuen Papieren wieder auf, aber wie soll man das beweisen? Die Papiere sind echt, ausgestellt von korrupten Regierungen. Die alten Schiffsnamen werden ausgesägt und die neuen Namen aufgemalt. Ein paar Faxe hin und her, und fertig ist das neue Schiff! Das dann immer noch die alte Ladung führt. Die wird ganz normal in China verkauft. In China fragt keiner, woher etwas kommt, solange der Provinzhäuptling seinen Teil abbekommen hat. Mit so einem Schiff kann man dann alles transportieren: illegale Einwanderer, Drogen, Waffen, alles, was richtig Geld bringt! Es gehört einem ja! Wenn man die richtigen Leute geschmiert hat und wenn man die alte Besatzung ›ausgetauscht‹ hat, ist man stolzer Besitzer eines Hunderttausend-Tonnen-Frachters. Oder Tankers? Oder was wird gewünscht? – Aber mit ›ausgetauscht‹ meine ich – Kehle durch! Kopf ab! Bruststich! Kopfschuss! – Ach, sucht euch selbst was aus!«
    »Oder ›Ende im Gelände‹«, sagte Luise: »Schöner Vortrag, aber jetzt lass uns mal das ganze ›Wenn und Aber‹ vergessen, oder Kapitän?«
    »Ja!« Der Kapitän nickte, aber er wirkte bedrückt. Seine Stimme war heiser, und Luise machte sich ein wenig Sorgen um ihn. War er einer von den Kerlen, die zu viel Phantasie hatten?
    Luise fragte: »Wann sind wir denn eigentlich im Fanggebiet?«
    »Etwa in einer Stunde«, sagte der Erste Offizier, »dann haben wir sowieso keine Zeit mehr, Seemannsgarn zu spinnen!«
    »Das ist kein . . .«, wollte Thomas sagen, wurde aber von Luise unterbrochen: »Schon gut! – Lass es einfach gut sein!«
    Sie nickte dem Ersten Offizier zu, der ihre Geste unmerklich erwiderte, ehe auch er sorgenvoll zum Kapitän schaute, der in sich versunken dasaß und schwieg.
    »Alles in Ordnung, Herr Kapitän?«, fragte der Erste .
    »Ja, ja«, sagte der Kapitän abwesend. »Mein Sohn fährt als Funker auf einem Öltanker in der Karibik.« Doch plötzlich straffte er sich und fügte hinzu: »Doch wie sagt der Chefharpunier immer: ›Privat heißt privat, weil es privat ist!‹ Hat nichts an Bord zu suchen, das Private! Lassen Sie uns alle also einfach unsere Jobs machen, und um den Rest müssen sich die anderen kümmern, die dafür bezahlt werden. Das ist meine Meinung!« Er erhob sich und löste damit die Runde auf.
    Ein wenig später standen die vier Sicherheitsleute auf dem Dach der Brücke, rauchten und behielten den Horizont im Auge. Sie fragten sich, ob sie zuviel verraten hatten. Oleg meinte, im Fall des Falles werde er den Kapitän decken, während sein Bruder nickte. Bolek fügte hinzu, dies sei das Dumme an Wörtern. Man könne sie nicht wie Hunde zurückpfeifen, gesagt sei gesagt.
    »ER BLÄST!«, ertönte der heiß ersehnte, Jahrhunderte alter Ruf durch die Lautsprecher des Walfängers Rimbaud , als der Baske Tommy gerade zu erklären versuchte, der Wal heiße Wal, weil er einmal eine Wahl gehabt habe. Er hätte ja auch an Land bleiben und wie die anderen Dinos aussterben können. Habe er aber nicht, weil er sich einer Aufgabe gestellt habe. Der Wal habe lange Zeit dem Menschen die Nahrung für das von Prometheus von den Göttern gestohlene Feuer geliefert, darüber solle Tommy mal nachdenken, ohne den verrückten Halbgott müsste sich der arme Wal jetzt nicht so in den Ozeanen abschinden. Das sei geheime, vererbte Weisheit aus dem Volke der Basken: Ohne Feuer kein Öl.
    Und als Tommy erwidern wollte, Jonas habe auch schon gegen Prometheus gewettert, da schnitt der Chefharpunier dem Bootsjungen das Wort ab und sagte: »Hörst du, da bläst er!«
    Sie sprangen aus den Kojen, zogen sich in Windeseile wollene Unterhosen und dicke, graue Unterhemden an, über die sie weite Norweger streiften, ehe sie sich in das Ölzeug quälten und sich dabei halfen, die

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