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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Druckknöpfe an den Fuß- und Handgelenken zu schließen. Sie mussten sich gegenseitig stützen, als sie in die kniehohen Seestiefel schlüpften und diese mit Kordeln dichtholten. Sie setzten sich die Eisbärenhäupter auf die Köpfe, nahmen die Eisbärenfellhandschuhe auf und stelzten auf den Längsgang, wo ihnen die anderen Halbmenschen entgegenkamen. Tommy grinste verdattert, als er auf die vielen Eisbärenschädel schaute, unter denen sich die ihm vertrauten Gesichter befanden, doch dann reihte er sich ein und stakste mit ihnen nach oben.
    »Der Junge kommt mit mir!«, brüllte der Harpunier den Kapitän auf dem Fangdeck an, der mürrisch nickte. Eine Welle schwappte übers Flensdeck, das von nur drei Funzeln beleuchtet wurde. Der Wind heulte, als wolle er den Wal schützen, meinte Tommy, ehe er sich an der Querstange neben dem Außenschott festhielt, wie es auch die anderen Walfänger taten. Schnell war die Mannschaft komplett, der Erste Offizier meldete die Vollzähligkeit, der Kapitän nickte und verschwand wieder im warmen Gehäuse der Brücke.
    »Komm! Jetzt wirst du ein Mann!«, rief der Baske seinem Kojennachbarn zu und band sich den aus Bärendarm gefertigten Gürtel um die Taille. Er zog ihn fest und befahl Tommy, sich daran festzuhalten. Der Junge nickte und steckte die unbehandschuhte Hand zwischen Gürtel und Jacke des Mannes. Er hielt sich hinter ihm, während sie sich auf der Backbordseite nach vorne kämpften. Der Wind riss an den Männern, die sich ihm entgegendrückten, und Tommy fragte sich fluchend, warum sie nicht auf der Leeseite nach vorne gingen? Was würde der Baske sagen? Dass es nichts für Männer wäre, sich auf der Leeseite nach vorne zu stehlen? Oder dass man so dem Wal ein letztes Mal seine Achtung bezeuge, der doch noch nicht wisse, dass er schon tot sei? Tommy grinste und spuckte gegen den Wind. Der Fladen landete auf dem Rücken des Chefharpuniers und leuchtete dort einen Moment lang weiß.
    Erneut kam eine Welle über, und Tommy zog sich dichter an den Basken heran. Sie kämpften sich mit kleinen Schritten nach vorne, und manchmal warteten sie, wenn eine Welle zu gewaltig das Deck spülte. Woher komme nur dieser plötzliche Wetterumschwung, fragte sich Tommy, und ihm fielen die Worte des Vaters ein: ›Sei dort oben bei Spitzbergen immer auf der Hut! Das Wetter ändert sich dort im Minutentakt, doch leider niemals zum Besseren!‹ Wie recht er doch hatte! Tommy war stolz, einen so weisen Vater zu haben. Weisheit durch Erfahrung!
    Als sie am Bug angekommen waren, stellten sie sich noch ein wenig in den Vorbau zu den anderen Männern, die dem Harpunier zuschauen wollten, fing ihre Arbeit doch erst nach seiner an. Ein wenig schützte der Vorbau sie vor dem Wasser und dem Wind, auch wenn er nur aus zwei nachträglich angeschweißten sechzig Zentimeter dicken Stahlplatten bestand, die im Abstand von neunzig Zentimeter an eine noch dickere Platte genietet worden war, die sich knapp über den Köpfen der Männer befand. Niemand rauchte, keiner sagte ein Wort, alle starrten in die Schwärze der Nacht, aus der immer wieder hohe Gischtkronen hervorpreschten.
    Der Baske bedeutete Tommy, ihm zu folgen, und als sie den Vorbau verließen, schlugen die Männer dem Auszubildenden auf die Schulter, der sich aber nicht nach ihnen umdrehte. Sein Abenteuer begann! Er hatte jetzt keine Zeit mehr, sich umzudrehen, verdammt noch mal!
    Tommy kletterte auf die Bugspitze, auf der es zuging, als wären hier alle Rummelplatzgeräte auf einmal angeschlossen. Berg-und Talbahn, Autoscooter, Riesenrad, Kettenkarussell und wie die Dinger alle hießen! Inklusive Schießstand, wo er ins Schwarze treffen sollte, während sie hinter ihm an der Losbude standen und ihre kleinen Gewinne hochhielten. Tommy spuckte wieder, und diesmal ging der Fladen wirklich über Bord.
    Der Baske hatte sich hinter die Kanone gesetzt, die sich direkt auf der Bugspitze befand. Über Kimme und Korn der Harpunenkanone beobachtete er die Wassertäler vor sich, während Tommy dicht hinter ihm stand und versuchte, ihn nicht anzurempeln. Gleichmäßig bewegte der Baske die Kanone im Radius und lauerte. Nichts geschah. Tommy sah zu seinen Füßen die aufgeholte Stahlleine, die mit der Harpune verbunden war. Er stand nicht drauf; alles gut! Der Bootsjunge wurde nervös und suchte ebenfalls den Wal. Wo bläst er? Verdammt noch mal, wo denn?
    Langsam hob der Baske den rechten Arm und winkte zwei Mal. Sofort änderte der Kahn die Richtung und fuhr

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