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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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vorsichtiger als in Europa, sagte der Mann, der nun doch etwas auf die Tube drückte, die Leute hätten Angst vor Unfällen.
    «Beim dritten Unfall, egal, ob schuldig oder nicht, verliert man den Versicherungsschutz... - Wir haben noch Zeit, viel Zeit.»Viel Zeit? Das Ende vom Lied war, daß Alexander aus dem Wagen hechten und wild schlenkernd in den Airport rennen mußte, unter dem Lärm des Lautsprechers, der seinen Namen immer und immer wieder laut herausbrüllte.
    «Mister Sauscheik! …»
    Zack, noch mal zurück, der Mann stand in der Tür und winkte ihn heran, um ihm ein weiteres Mal alles Gute zu wünschen:«Alles Gute!»Und hier - der Karton mit den Fotos.«Machen Sie’s gut!»

3. TEIL

24
    Der Flughafen sah aus wie das Kommandodeck eines Raumschiffs. Die Menschen saßen, standen und gingen, so wie es sich der Architekt vermutlich ausgedacht hatte, daß sie sitzen, stehen und gehen müßten. Aber es war doch noch alte Menschheit, die sich hier aufhielt.
    Zwischen den wie zu Gruppen aufgestellten Menschen rannte nun Sowtschick dahin, an Vitrinen voll Uhren und Parfüms vorüber - es war weiter, als er gedacht hatte! Die Leute guckten ihm nach, ein Mädchen, das sich gerade kämmte, ein junger Mann mit Geige unter dem Arm und ein Säugling, den Schnuller im Mund: Was das für ein merkwürdiger Mensch ist, stolpert hier so durch die Gegend?
    «Attention, please! - Mister Sauscheik! …»
    Konnte sein, daß einige der Menschen auf die Uhr sahen, ob auch sie jetzt ganz schnell laufen müßten? Oder daß Jüngere, christlich Gesinnte ihn gern gefragt hätten, ob sie ihm in seiner Not irgendwie zur Seite stehen könnten? Ihm nachlaufen und fragen:«May I help you?»
    Und da schallte es auch schon wieder durch die Halle:«Attention, please! - Mister Sauscheik! …», und Alexander beschleunigte, so gut es ging. Rief er nicht sogar:«Jajaja! Ich komme doch schon …!»?
     
    Das Flugzeug war voll besetzt. Als er sich hineinquetschte, sah man zu ihm hin: Wer das da ist, der da zu spät kommt? Ein komischer Vogel. - Aber die Menschen guckten einigermaßen freundlich: Ist uns auch schon passiert.
    Er knallte in seinen Sitz, und da saß er dann, schwer atmend, heiße Dämpfe quollen aus seinem Hemd.
    Wie sehr er sich auch beeilt hatte, jetzt hieß es, sich in Geduld fassen, und es mußte lange gewartet werden: Sechs Maschinen mit hochgerecktem Stert rumpelten vorüber, eine nach der anderen, weitere Maschinen in der Ferne, auch sie zum Start rumpelnd. Flugzeuge, gefüllt mit Menschen, die nicht daran dachten, daß sie eventuell auf einer Autobahn notlanden müßten. Und dann endlich rannte die Maschine gegen den Himmel an. Wie eine Rakete nahm sie ihre Bahn ins blaue Firmament, beschrieb sie einen feurigen Bogen? Hinterließ sie einen weißen Schweif? Die Leute unten auf der Erde konstatierten wieder einmal, daß der Fluglärm unerträglich sei …
     
    Alexander lag mehr in seinem Sitz, als daß er saß, und er rührte sich nicht. So wie er in den Sitz geknallt war, so blieb er hängen. Was hab ich dir getan, o mein Volk, und womit hab ich dich beleidigt? Er hatte einen Schleier vor den Augen. Habe ich mich denn nicht richtig gewaschen?, dachte er. Bin ich denn halbblind? Das Augenwischen nützte nichts.
    Weshalb konnte er jetzt nicht im fernen Sassenholz unter dem Bild des Schafbocks Tee trinken, den Hund hinter dem Ohr kraulen und in seinem Fell Zecken ertasten? Das tat auch ihm wohl, wenn er dem Tier eine Zecke aus dem Fell drehte …
     
    Erst als ihn eine Stewardeß fragte:«Something to drink?», war die Sicht wieder klar, und er lächelte das blonde Mädchen freundlich an und bat um eine«cup of tea». -«If it’s possible.»Ja, es war möglich, auch wenn sie erst ganz allmählich verstand, was er eigentlich damit meinte. Er zog seine Mehrzweckjacke aus, denn auf der Regenschirmquertasche der Jacke saß es sich denn doch nicht so bequem.
    Ja, die Jacke tut sie gern in das Gepäckfach, sagte die Stewardeß, wo sie ja eigentlich auch hingehörte. Die Frage war, ob sich auch auf ihrem Bauch eine harmonische Haarverbindung vom Bauchnabel zur Scham befände.
    Wahrscheinlich golden.
    Alexander hielt den heißen, nach Papier schmeckenden Tee in den Händen und blickte auf die Tragfläche hinaus, er hatte die Empfindung, als müsse er sich draußen am Höhenruder festkrallen, eine Weile wie eine Fahne flattern und dann loslassen … Fallschirmspringer bilden um ihn einen Kreis - einer nach dem anderen kommt angerudert

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