Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
hinaus.
    Die Hitze knallte auf ihn herunter, und er sah Elendsgestalten unter Palmen. Eine gut angezogene Frau unter einem Gebüsch liegend, anscheinend betrunken. Andere in Papierkörben wühlend.
    Grinsendes Rosa und brüllendes Rot!
     
    Er habe von oben, aus der Maschine heraus, so Kreise beobachtet, was die Kreise bedeuten?, wollte Sowtschick von den beiden Herren wissen. Ob das was mit Bewässerung zu tun hat?«Kreise? Was für Kreise?»fragten sie sich. War der Mann meschugge?
    Sie gingen quer über einen Rasen, der gar kein Rasen war, sondern grün bemalter Asphalt, und verstauten sich in einen Wagen und fuhren schweigend davon, zunächst in einer Zweierspur, dann in Dreierreihen und schließlich in vier Fahrspuren nebeneinander. Auch auf der anderen Seite fuhren Autos in vier Fahrspuren nebeneinander dahin. Wahrscheinlich Tag und Nacht, Woche um Woche, Jahr um Jahr. In der Ferne golden verglaste Hochhäuser. Die Highways führten mit Schwung zwischen sie hin. Und darüber standen große Flugzeuge am Himmel.
     
    Schließlich lieferte man ihn in einem Amtsgebäude der Universität ab. Hier sollte er in einem Schreibzimmer seinen Paß vorzeigen; eine Schreibdame verlangte das von ihm. Das paßte Alexander nicht. Irgend etwas sperrte sich in ihm dagegen. Er hatte einen gültigen Paß, war damit übers Meer geflogen und quer über das freieste Land der Erde … Polizisten gegenüber würde er sich jederzeit mit Freuden legitimieren, das hatte er schon wiederholt getan, aber doch nicht einer ganz gewöhnlichen Schreibkraft.
    «My name is Alexander Sowtschick», sagte er,«and I’m invited …»
    Schon gut, schon gut, aber erst den Paß vorzeigen. Wieso übrigens Sauscheik? Er heiße doch wohl Pölting?
     
    Er saß in einem Stahlrohrsessel, links und rechts neben sich das Gepäck und auf dem Schoß die Hamburger Mütze, und er hieß keinesfalls Pölting. Er war Alexander Sowtschick, Verfasser gewichtiger Bücher und siebenundzwanzigster Träger des Keyserling-Ringes. Häufig im Fernsehen aufgetreten, vom Bundeskanzler mit herzlichen Glückwünschen zum Geburtstag bedacht, von der dänischen Königin privat empfangen … Und jetzt hier in Sachen«Deutsche Wochen»unterwegs.
    Nein, er zeigte seinen Paß nicht vor, er dachte gar nicht daran. In Amerika gab es doch, soviel er wußte, überhaupt keine Ausweise. Besaßen die Leute hier nicht bloß irgendwelche Sozialversicherungskarten? Und ihn als Ausländer schikanierten sie hier? Er hätte eben doch gleich wieder nach Hause fahren sollen, wie er es in Philadelphia erwogen hatte …
     
    Die Sekretärin redete ihm nicht weiter zu: Adolf Schätzing hatte vorgestern seinen Ausweis ohne weiteres vorgezeigt, sagte sie. Da war doch nichts dabei!
    Unter einem weiß gerahmten Bild mit frierenden Indianerhorden im Schnee saß er, und die Schreibkraft hinter der Maschine saß unter dem Bildnis eines mit Pelzkragen versehenen Universitätsförderers. Und Sowtschick weigerte sich. Nein, seinen Paß zeigt er nicht, schon gar nicht einer x-beliebigen Schreibkraft. Er denkt nicht daran!
    Ja, was machen wir denn da? Erst mal weitertippen und weitertelefonieren. Die Kinderfotos auf dem Schreibtisch auch mal wieder richtig hinstellen.
    Schließlich kam aus dem mit Büchern bestückten Nebenzimmer ein jovialer Herr mit Abzeichen am Revers und sagte: Kein Problem! Er will den Paß gar nicht sehen, niemand will ihn sehen, Sowtschick soll ihm das Ding geben, dann kopiert er es, und alles ist in Ordnung. Ohne Einsicht in den Paß - egal, ob Original oder Kopie - gebe es übrigens keine Dollars.
     
    Alexanders Abwehrstarre löste sich, und bald schon saß er in einem Klubzimmer an einem runden Tisch, und vier interessierte Leute traten herzu, drei schwarz gekleidete Herren und eine rosa Dame mit Namen Victoria. Dies war der Übersetzerkongreß, von dem der Verleger gesprochen hatte, und vor dem er solche Manschetten gehabt hatte!
    Die Übersetzer kamen von weit her, aus Hamilton der eine, aus Montreal und Detroit die anderen. Die Dame war von hier, die leitete den Kongreß. Ihre Großmutter in Wiesbaden habe sie auf Sowtschick aufmerksam gemacht, sagte sie. Sonst wäre sie wohl nicht auf ihn gekommen.«Es kennt Sie hier drüben kein Mensch …»
     
    Sowtschick fand es unbegreiflich, daß sich in diesem großen Land nur vier Übersetzer gefunden hatten, die sich für seine Bücher interessierten, und Victoria sagte, ja, das sei schwer zu verstehen. Der Verlag habe sie mit Material

Weitere Kostenlose Bücher