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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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von den USA hermetisch abgetrennt wurde. Landminen würde man dort wohl nicht verlegen.
    Er hätte jetzt gern eine deutsche Zeitung gehabt, aber gut, daß es sie hier nicht gab. Er hätte nicht die Kraft aufgebracht, sie zu lesen.«Querelen», dieses Wort fiel ihm ein und«Hickhack».«Ich habe keine Lust, mich mit Hickhack zu befassen.»Gut, daß man in den fünfzig Staaten von Amerika kein einziges Wort über Deutschland vernahm.
     
    Die Biographie des Herrn Kirregaard lag im Gepäck,«Gleitflug», irgendwann mußte er hineinschauen. - Er sah sich seine Hände an, die, wie seine Füße, noch immer dieselben waren, vom vielen Zugreifen bereits faltig geworden. Was aus den Handlinien zu lesen war, hatte er alles schon erfahren.
    Endlich kam Leben in die Bude. Die Stewardessen schubsten Getränkewagen vor sich her. Es gab für jeden eine unter Folie verpackte Sandwichration. Alexander nahm den kalten Turkeyschenkel zu sich und schlummerte ein wenig. Vorn in der ersten Klasse hatten sie jetzt gewiss die Beine hochgelegt und sahen einen Film.
     
    Zufällig guckte Alexander dann mal wieder hinunter in die Tiefe, und schon wieder war alles großartig. Nun waren riesige Furchen zu besichtigen, ein Canyon! Oder der Canyon, durch den sogar ein kleines weißes Flugzeug flog.«Das sind Formationen», dachte Alexander,«Verwerfungen der Erdkruste. Kontinentalplatten, die sich gegeneinanderschieben und übereinander, Erdschollen riesigen Ausmaßes …»Er hätte es gern notiert, daß hier ein kleines Flüßchen, von geologischen Umständen begünstigt, sich in die Erde eingeschnitten hatte … Aber wozu aufschreiben? Das wußte doch jeder Mensch. Daß man mit Beharrlichkeit einiges erreichen konnte, das hatte Alexander schon erfahren.
     
    Dann tauchte in der Tiefe eine Rechenheftlandschaft auf mit großen Halb- und Vollkreisen darin, durchzogen von ausgetrockneten Flüssen. Die großen Kreise, einer neben dem anderen, wie mit einem Zirkel geschlagen: Vielleicht hatte das was mit Bewässerung zu tun? Zum Teil grün, zum Teil violett: alle Kreise gleich groß?
    Auch Vierecke, nicht minder interessant.
    Zaghafte Kultivierungsversuche einer von Menschenhand verursachten Versteppung?
    Vielleicht ginge hier eines Tages ein einsamer Wanderer von einem Kreis zum anderen, und Geier sammelten sich über ihm?
     
    Ein Düsenflugzeug flitzte vorüber. Und dann kamen Highway-Makkaroni in Sicht, mit Autos drauf, als ob man in einem Topf rührt - eine riesige Verkehrsnudelei. Vielleicht schnitten auch sie sich in die Erde ein, wie das Flüßchen im Canyon?
    Die Passagiere wurden unruhig, sie hatten das eintönige Dahinbrummen satt und suchten ihre Sachen zusammen. Nun würde es bald soweit sein. Schon legte sich die Maschine in korrigierende Kurven, die Leitwerke wurden singend bewegt.
    Kurz vor der Landung schüttelten Böen das Flugzeug kräftig durch. Alles juchzte, und vorn trompetete ein Säugling. Die tonnenschwere Maschine, die von einem Luftloch in das nächste fiel, wurde immer wieder hochgerissen und durchgeprügelt. Vom Cockpit kam die Nachricht, daß kein Anlaß zur Panik besteht, und die Stewardessen stimmten in das Lachen der Passagiere ein. Es ist lustig, so durchgeschüttelt zu werden, nicht wahr?
    «Isn’t it?»
     
    Die schmächtige Sitznachbarin fragte eine der dreimal täglich geduschten, hochblonden Stewardessen in ihrer Sprache, ob dies Tohuwabohu nicht vielleicht doch ein wenig gefährlich ist. Aber die verstand nicht, was sie wollte.«Something to drink?»Das war es, was sie verstand, aber das ging jetzt nicht, jetzt hieß es sich festhalten … Daß Flugpersonal kein Deutsch kann, war ja normal, aber auch Spanisch verstanden sie nicht. Französisch schon eher, Französisch war sexy.
    «Lustig, nicht?»sagte die Stewardeß, und die Frau mit ihrem jetzt nicht verwendbaren Wortschatz im Gehirn, drängte sich unmerklich an Sowtschick heran. In dem Maß, wie das Rütteln nachließ, ließ allerdings auch das nach.
    In Los Angeles krachte das Flugzeug auf die Piste und rollte rumpelnd an die Halle. Donnerwetter! Uff! Das wäre geschafft!

25
    Los Angeles! - Von zwei Männern abgeholt zu werden hat etwas Geheimbündlerisches an sich. Paten mochten so abgeholt werden. Die beiden Herren, die Alexander empfingen, waren schweigsam. Sie wußten nicht so recht. Offenbar hatte man sie angehalten, den Gast aus Germany freundlich zu empfangen. Sie nahmen ihm die Taschen ab und den Karton mit den Fotos und geleiteten ihn

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