Letzte Gruesse
unterwegs war - hierfür war Alexander zu haben! Er holte seinen Fotoapparat und das Notizbuch. Wenn Hansen mal nach Deutschland käme, würde man sich entsprechend revanchieren müssen.
Bevor sie ins Auto stiegen, mußten sie in der Hotelhalle noch einen Rollstuhl passieren lassen. Die Wirtin schob ihn vor sich her, ein junger blasser Mann saß darin, dem der bandagierte Kopf immer wegsackte, und mit den Händen zeigte er fahrig gen Himmel. Die Wirtin hatte ein Tuch in der Hand und wischte ihm den Mund ab.
Edelste Musik voll aufgedreht, fuhren sie in die Wüstenei hinein und durch sie hindurch, weit, weit bis zu einer Missionsstation, einem weiß gekalkten, ländlichen Kloster. Ein sehr großer Baum stand auf dem Vorhof, in dessen Schatten setzten sie sich nieder. Erst einmal die Dinge auf sich wirken lassen! Irgendwie anachronistisch das Ganze. Wo war man denn? Spanien? Italien? Mexiko?
Wo gehörte man hin?
Der sehr große Vorhof des Klosters war sauber geharkt, und auf dem Baum hockten einzelne schwarze Vögel, wie Raben so groß, und es waren wohl auch welche. Eine Lehrerin ging mit einem Gänsemarsch von artigen Kindern auf das Kloster zu und erklärte ihnen, daß das ein Kloster ist.
Die beiden Herrn schlossen sich den Kindern an, die auf Notizblöcke schrieben, daß dies ein Kloster ist. Die Klosterkirche, kühl und weiß. Ein alter Mönch leerte die Kollektekästen.
Auch ein Kreuzgang gehörte zu dem Kloster: die Fenster mit gedrechselten Holzstäben vergittert und der Fußboden mit in sich gemusterten diagonal verlegten alten Tonfliesen gefliest. Sie gingen mehrmals rundherum, horchten an den Türen der Mönchszellen, sie waren alle leer.
Im Klo war ein Wandgekritzel zu entziffern:
A day without Jesus
is a day w/o sunshine
Alexander notierte sich das, es würde zu gebrauchen sein.
Sie setzten sich in das Restaurant, ein Gebäude, in dem früher einmal Indianermädchen gefangengehalten worden waren, zu einer Art Erziehungszwangsarbeit, wie auf einem Schild zu lesen stand: Menschheit zum Heiland führen und an geregelte Arbeit gewöhnen.
Sie aßen geröstetes Blätterteiggebäck mit Käse und tranken Cola. Indianer, Schwarze, Spanier, Chinesen - viele Russen gäb’s in den Staaten, sagte Hansen, und vor allem Polen. Die Vietnamesen seien«pushy», die drängten sich überall vor. Nicht sehr beliebt. Indianer? - Eine Hälfte der Indianer sei Grausamkeit, ein Viertel Dummheit und ein Viertel Mythologie. Der Autorin Butt-Prömse gegenüber hätte man sich wohl anders ausdrücken müssen.
Eine Reisegesellschaft quoll aus der Kirche heraus und ergoß sich in das Restaurant. Zeit aufzubrechen. Sowtschick bezahlte die Zeche, wofür sich Mr. Hansen bedankte. Er habe jetzt eben doch eine Menge Ausgaben, die Eltern, sie brauchten das eine und das andere … Seine Frau hatte bereits mit Scheidung gedroht, wenn das so weitergehe, aber das überlege sie sich gewiß … Die Taschenuhrensammlung habe der alte Herr leider bei der Ausreise zurücklassen müssen. Eigentlich schade, denn mit dem sukzessiven Verkauf hätte man manches regeln können. Die Alten müßten sich ja auch völlig neu einkleiden, die Sachen von drüben gingen hier nicht.
An der Klostermauer saß ein Indianer, ein schöner stolzer Mann in seiner ganz speziellen Tracht, mit langen schwarzen Zöpfen. Er unterhielt sich mit einem weißen Mann, dem Plastikschläuche aus der Nase hingen, einen Behälter trug er auf dem Rücken und einen Apparat auf der Brust. Sie unterhielten sich über die Schläuche und den Apparat, an dem verschiedensten Manometer angebracht waren, an denen man auch drehen konnte. Ja, sagte der Indianer, er kennt so was, seine Schwägerin kriegt auch schwer Luft. Die will sich jetzt ein neues Hüftgelenk einsetzen lassen.
Nach einer Zeit nahm der Indianer aus seinem Rucksack einen Häuptlingskopfschmuck und setzte ihn sich auf. Er guckte in die Weite seiner Heimat und ließ sich von der Menschheit fotografieren. Wer wollte, durfte sich gegen ein Entgelt den Kopfschmuck aufsetzen und sich damit knipsen lassen. Als der alte Mann mit den Schläuchen in der Nase ihn sich aufsetzte, sah das denn doch sehr merkwürdig aus.
Hansen entschuldigte sich für einen Moment und verschwand in dem Verwaltungsgebäude des Klosters. Als er endlich zurückkam, hatte er einen in Seidenpapier gewickelten Gegenstand in der Hand.
Sie brachen endlich auf. Hundert Meilen hin, hundert Meilen zurück: Unter edler Musik
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