Letzte Gruesse
interessiere sie, was er ihnen zu bieten hat. Bei Schätzing wären sie doch auch gewesen. Deutsche Literatur! - Der hätte allerdings mehr Zulauf gehabt als er: systematische Zeichnungen an die Tafel gemalt, wie Kristalle, nie geahnt, daß Literatur auch kristallin strukturiert sein kann … Seien seine Romane auch kristallin konstruiert?
Er redete zu ihnen von übereinandergelegten Bildern, wie Fotos auf Celluloid, die man sacht verschiebt. Und den ganzen Nachmittag wühlte er in dem Fotokarton, welche Bilder sich wohl eigneten, auf solche Weise übereinandergelegt zu werden. Für einen Augenblick verspürte er die Neigung, sich tatsächlich mit seinem Roman zu beschäftigen, aber dann ließ er das. Man darf die Geister nicht vorschnell rufen, dachte er, dann verschwinden sie für immer.
Am nächsten Morgen sahen die beiden schwarzen Zimmerfrauen die Fotos auf seinem Tisch liegen. Sofort machten sie sich darüber her und legten sie aus wie ein Lotto.
Wäre mir das auch eingefallen?, fragte sich Alexander. Und er stellte sich Fotos von lauter schwarzen Menschen vor.«Raumpflegerinnen»- was für ein Ausdruck. Alexander mußte lange darüber lachen.
Er guckte sich die Holztransporter an und die Mädchen auf dem Dach. Er ging auch gern mal den Strand entlang, weit und immer weiter, ein junger Hund begleitete ihn. Angeschwemmtes ausgewaschenes Holz warf er ins Wasser, und der Hund holte es wieder heraus.
Einmal kam er an Leutchen vorüber, beiderlei Geschlechts, die Beachball spielten, so wie Gott sie geschaffen hatte, strahlend schöne junge Menschen. Alexander guckte zur Seite. Dies war eine ganz andere Welt …
Weiter oben sah er dann einen nackten Mann mit Goldkettchen um den Hals im Sand liegen, dem der Penis erigiert war, und da kehrte er sofort um.
Als er auf dem Rückweg noch einmal an den Ballspielern vorüberkam, scherten zwei Jünglinge aus und warfen ihn mit Schwung ins Wasser. Mit Voyeuren machte man hier kurzen Prozess. Sowtschick spürte beim Aufprall weder Kälte noch Nässe, er hörte nur eines der Mädchen laut lachen.
Eine Weile blieb er im Wasser liegen. So was war ihm noch nicht passiert, auch beim Militär nicht, und es würde ihm auch nie wieder passieren …
Um Gottes willen, das Notizbuch! Zu spät, es troff von Wasser …
Abends war er immer irgendwo eingeladen, die Dozenten ließen das umgehen. Bei einem Goethe-Spezialisten - einem von zwei Ehen enttäuschten Junggesellen - ward er gleich am ersten Abend zum Barbecue gebeten. Auf dem Sims neben der Haustür stand ein Pappschildchen, auf dem zu lesen war:«No!»Man soll auf dem Sims keinen Schlüssel ablegen, weil sich mit der Zeit dort eine Delle in das Mauerwerk eingräbt, und so was muß ja nicht sein: Da sammelt sich dann Regenwasser und dringt ins Mauerwerk ein und so weiter und so fort. Schließlich stürzt noch das ganze Haus ein!
No? - Nun wußte man, weshalb zwei Frauen ihn verlassen hatten. Im Haushalt ging ihm nun ein junger Mann zur Hand. Die Spezialität des Professors waren die Goetheschen Wolkenbeobachtungen. Wie sich ein Kumulus aufbaut und wie Zirren über den Himmel sich fächern und wie eins ins andere übergeht. Ihn interessierte, wie Goethe das beschrieben hat! Der Professor formte Fleischbälle und erzählte, daß er mit einem Wetterspezialisten in Verbindung stünde. Man untersuche, ob sich aus Goethes Betrachtungen Folgerungen ziehen ließen. Ob Verallgemeinerungen möglich wären, die sogar für uns noch von Bedeutung seien.
Er leckte sich die Finger ab, und sein junger Mann stellte inzwischen den Bildwerfer richtig ein. Der Rest des Abends ging damit hin, daß Alexander Wolkenformationen zu sehen bekam, von denen er sich nichts hatte träumen lassen. Zu den Bildern wurden Goethes Tagebuchnotizen rezitiert.
Am nächsten Abend war er zu einer Party geladen. Es waren einige Herren zusammengekommen und eine Dame, die von Alexander wissen wollte, ob er Taschen bücher schreibt.
Einer der Herren war Arzt. Auch er habe ein Buch geschrieben, sagte er, seine Doktorarbeit! Drei Kilo schwer!
Und ein anderer sagte, er seinerseits führe nur ein Kontobuch. Alexander fragte den Arzt, was es bedeute, wenn man vorm Einschlafen die Beine nicht ruhig halten kann.«Sauerstoffmangel im Gehirn!»sagte der knapp. Und: Das hat man gern, daß einen die Leute auf Partys konsultieren.
Morgens von dann bis dann hat er Sprechstunde.
Die Dame erkundigte sich, wie lange er schon in den Staaten sei und ob es ihm
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