Letzte Gruesse
fuhren sie durch eine Gegend, in der wunderliche Kakteen standen, zehn Meter hoch. Vor kurzem sei ein Mann von einem solchen Kaktus erschlagen worden, der habe mit Colabüchsen danach geworfen, und da sei das Dings umgekippt.
An einer Wildweststadt kamen sie vorüber, die hier für Filmaufnahmen errichtet worden war,«High Noon», mit Bahnhof und kleiner Kirche. Sie war geschlossen. Hansen hatte sich das so schön ausgedacht: Als letzten Clou der kleinen Spritztour dem Herrn Sowtschick etwas zeigen, was er in Deutschland sicher schon über den Bildschirm hatte flimmern sehen.
Am Horizont standen riesengroße Horchschüsseln. Hansen legte den Finger auf die Lippen. Hätten die denn verstehen können, was sie sprachen?
Was sprachen sie denn?
Als sie dann wieder in den Hof des Hotels rollten, drehte Hansen die edle Musik ab. Und in die Stille hinein bot Alexander ihm Geld an für die Tour, und Hansen zeigte sich dankbar.
Er konnte es nicht lassen, er zeigte Alexander seine Neuerwerbung: eine hübsche alte Hinterglassache, eine Votivangelegenheit. Ein Blitz schlägt in einen Apfelbaum und läßt Äpfel regnen auf einen nackten alten Mann, der darunter liegt.
Dies also war der eigentliche Anlaß zu der Spritztour gewesen, das verstand Alexander, und das billigte er auch.
«Good-bye!»sagte er zu Hansen, und er knipste das wegfahrende Auto.
Im Hotel gab die Wirtin ihm die gebügelten Hemden zurück. Sie hatte einen Schulatlas dabei, voll mit Bleistiftkritzeleien, und sie schlug die Karte von Ostasien auf: Germany, wo liegt es? Sie saßen beide in der finsteren Halle, und Sowtschick blätterte um und legte den Fingernagel auf sein Heimatland: Geteilt hatte man es! - Wie schade, daß man die Länder nicht«aufschlagen»konnte wie einen Adventskalender und hineinsehen, was da jetzt so vor sich geht.
Als die Frau wieder in ihrem Office verschwunden war, konnte Alexander nicht widerstehen. Er setzte sich an den Flügel, zog die Hose hoch und improvisierte ein wenig, so wie er das zu Hause gerne tat.
Lauschte die Frau im Office und dachte: Junge, wie spielt der Mann schön? - Nein, das tat sie nicht, sie kam und sagte:«No!»und klappte ihm die Klappe zu, er soll hier nicht spielen, das stört sie.
31
Auf der nächsten Station quartierte man ihn in ein Penthouse ein, oben auf einem zehngeschossigen Haus inmitten des Campus. Zum Strand waren es nur zehn Minuten. Ein geräumiges Appartement mit Kamin und Klavier.
Er telefonierte ausgiebig mit Marianne.«Hier halte ich es eine Weile aus», sagte er zu ihr, und sie berichtete von dem Pfadfinderlager der Dänen; daß die Jungen nur einen einzigen Tag auf der Waldwiese geschlafen hätten! Und dort natürlich absolut blaugefroren morgens aus den Zelten gekrochen.
Nette, freundliche Jungen, erfrischend anzusehen … Man habe sie jetzt privat untergebracht. Heute erst mal nach Hamburg geschickt, morgen nach Bremen, Jugend muß schließlich was erleben! Natur ist ja ganz gut und schön, aber Hamburg und Bremen hatten doch ganz was anderes zu bieten.
Sie selbst habe drei von den Jungen genommen, in Alexanders Studio habe sie Matratzen ausgelegt, dort sei ja Platz genug. Im übrigen sei vom Anwalt ein Brief gekommen, daß die Beleidigungssache nun in eine entscheidende Phase trete. Man müsse sehen, wie sich die Angelegenheit entwickelt. Der Verlag ließe anfragen, ob er da drüben Zeit fände, an dem Roman zu arbeiten.
Im Studio hauste jetzt Jugend? - Das war Alexander nicht recht. Das Paperweight, die Wiener Bronzen? - Hämmerten sie womöglich auf dem Flügel herum?
Hoffentlich gerieten sie in Hamburg nicht an die speziellen Schaufenster, hinter denen Damen sitzen und an die Scheibe klopfen. Sich in Bremen die Leichen im Bleikeller ansehen? Vielleicht hielten sie das für typisch deutsch? Die Bremer Stadtmusikanten würden manches wieder rausreißen.
Während Alexander mit seiner Frau telefonierte, beguckte er die Studentinnen, die sich kaum fünf Meter von ihm auf dem Dach des Penthauses rösten ließen, eine neben der anderen. Unten im Park drehten Jogger Runde um Runde, mal so rum und mal so rum, still in sich gekehrt, und auf der Strandpromenade liefen junge Leute Rollschuh. Vom zehnten Stock aus war alles gut zu beobachten. Drachenflieger, Jogger, Rollschuhläufer. Und eben auch die Mädchen, eines neben dem anderen.
Sie muß jetzt weg, sagte Marianne endlich, zum Kaufmann und Linsen kaufen, sie wolle für die nächsten Tage schon mal eine
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