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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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hier gefalle? Dann rätselte sie mit den Herren über Alexanders Stellenwert in der deutschen Literatur. Stehe er im Lexikon? Ja? Mit Foto oder ohne? Kenne man ihn?«Schreiben Sie etwas über Ihre Reise?»- Ob er mit dem Bus gekommen wäre? Vom Bus aus könne man sehr viel mehr sehen als vom Flugzeug?
    Sowtschick berichtete von den großen Kreisen in der Wüste, die er von oben gesehen hatte, ob das was mit Bewässerung zu tun habe?
    Das wußten die Leute nun auch nicht.«Wahrscheinlich», sagten sie.«Das ist sehr, sehr wahrscheinlich …»
     
    «Was haben Sie eigentlich gegen Kommunisten», wurde gefragt.
    «Wann waren Sie zuletzt in der DDR?»Man habe den Eindruck gewonnen, daß die DDR das bessere Deutschland repräsentiere. Und der Arzt fragte ihn doch tatsächlich, ob er als Schriftsteller alles mit der Hand schreibt. Und da fiel es Alexander ein zu sagen: Morgen früh von dann bis dann will er ihm das gern beantworten.
    Ein Herr in Klubjackett mit Wappen auf der Kavalierstasche, fragte Alexander, ob er in der Partei gewesen sei. Nein. Und Soldat? Ja? - Na, denn … und ging gleich wieder fort.
    Der Herr stamme aus Polen, und sein Spezialgebiet seien die polnischen Teilungen, wurde gesagt, und da sei er naturgemäß nicht gut auf die Deutschen zu sprechen, das müsse man verstehen. Ein jüdischer Herr, der sich still verhalten hatte, begleitete Alexander hinaus, faßte ihn leicht um die Schulter und sagte laut und deutlich:«Sie waren doch auch nur ein armes Schwein …»
     
    Zu Hause sah sich Alexander einen Film an, in dem amerikanische GIs unglaublich geschliffen wurden und dauernd«Yes, Sir, SIR!»brüllen mußten. Er hatte solches Exerzieren beim Kommis nie erlebt.«An den Horizont marsch-marsch!»Ja, aber doch keine solche Schleifereien.
    Eines Tages kam eine dunkelhaarige Frau zu ihm herauf in die zehnte Etage, weil er immer so allein ist. Sie brachte ihre silberne Flöte mit. Er setzte sich ans Klavier, und sie spielten ein paar Anfängerstückchen zusammen, das ging ganz gut. Am nächsten Tag besorgte sich Alexander auf dem Campus Notenpapier und schrieb ein kleines Stück für Klavier und Flöte. Hatte ihn die Verkäuferin in dem Laden auf besondere Weise angesehen? Notenpapier? Handelte es sich bei diesem älteren Herrn mit der goldenen Brille am Ende um einen bekannten Musiker? Mußte man ihn kennen?
    Alexander schrieb den ganzen Tag an dem Stück. Er machte, daß die Flötenstimme oben drüber ein wenig wie Karneval klang, sein Klavierpart hingegen war voll und ganz Lethe. - Er pfiff die kleine unschuldige Melodie und begleitete sich dazu schwerblütig. Zwei der Sonnenmädchen guckten ihm ins Fenster: Wer da so pfeift und was das soll?
    «Das ist eine unschuldige Melodie», wollte er zu der Frau sagen, mit der er sich fest verabredet hatte um halb acht. Aber sie kam dann doch nicht, sie blieb weg.
     
    Am letzten Tag wurde Alexander zum Brotbacken geladen. Eine Gruppe von Universitätslehrern versammelte sich in der Küche des Prorektors. Mit Schürze um und Lesebrille auf, zermahlten sie Korn zu Mehl und verkneteten es mit Sauerteig, und das Wasser lief ihnen im Mund zusammen dabei. Sowtschick bekam von dem knusprigen Zeug der Vorwoche zu essen, damit er es mitkriegt, wie unvergleichlich das schmeckt, und er sah sich sehr vor, daß ihm auf seine alten Tage nicht am Ende ein Zahn verlorenginge.
    Auch die erwachsene Tochter des Prorektors beteiligte sich an dem Brotbacken. Sie kam Alexander bekannt vor. Vom Beachball! Wie Gott sie geschaffen hatte! Und sie kriegte denn auch einen roten Kopf und verschwand.
     
    Beim Abschied sagte der Prorektor zu ihm, das sei doch nicht nett, daß er den Studenten gesagt hätte, sie sollten zu Hause bleiben. Er soll mal denken, die Gastfreundschaft, die er hier genießt, ob man das mit solchem Undank vergelten darf? Schließlich bekommt er doch dafür bezahlt.
    Wie heiße das Buch, an dem er arbeitet?«Karneval über Lethe»? Das versteht er ja gar nicht, was für ein sonderbarer Titel. - Sei das was Rheinisches?

32
    Dry toast with butter … Da er sich nun in dieser«Ecke Amerikas»befand, wie gesagt wurde, war es ja ganz natürlich, daß er auch mal einen Trip nach Mexiko unternahm. Auch dies wurde organisiert: Da war man den deutschen Gast erst mal los. Ein strohblonder Student namens Rutherford wurde ihm zugeteilt, der ihn in einen sehr alten, sehr ramponierten Käfer lud und mit ihm hinüberfuhr,«auf die andere Seite». Von New Mexico nach Mexiko, das war

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