Letzte Gruesse
…»
Ein Schriftsteller? Hier? Das wußte Rutherford nun wirklich nicht, da hätte man sich vorher erkundigen müssen. In Mexiko City vielleicht, da gäb’s sicher Schriftsteller, en masse sogar, aber hier, in diesem Kaff? Einen der hiesigen Polizisten danach zu fragen war wohl zwecklos. Außerdem war die Zeit knapp, Rutherford mußte am Abend wieder zu Hause sein, man warte dort auf ihn.
Nach einheimischen Schriftstellern hatte während der«Deutschen Wochen»kein einziger deutscher Autor gefragt. Scharrenhejm hatte eine Fabrik besichtigen wollen, um sich über soziale Mißstände zu informieren, aber da hatte man passen müssen. So schnell ließ sich das nicht arrangieren. Fabrikbesitzer pflegten in der Regel mißtrauisch zu sein, die hatten zu schlechte Erfahrungen gemacht mit Autoren. Wollen immer was geschenkt haben und hauen einen hinterher in die Pfanne.
Ellen Butt-Prömse allerdings, die hatte ihre Fühler ausgestreckt, und sie hatte in der Universität an einem Frauenkurs für creative writing teilgenommen. Hinterher allerdings gemeckert, so könne man das doch nicht machen …
Als sie da so saßen und sich fragten, wie viele mexikanische Nobelpreisträger es wohl gibt, und Alexander hatte schon die Finger gespreizt, um sie daran abzuzählen, trat ein Mädchen an ihren Tisch, vier oder fünf Jahre alt, mit schwarzen Zöpfen, den kleinen Bruder an der Hand. Sie starrte die blonden Haare des Amerikaners an: Kaugummis wollte sie verkaufen, in einem Pappdeckel lagen sie. Der kleine Bruder sollte wohl lernen, wie man das macht, den Fremden Kaugummis verkaufen. Sowtschick nahm ein Päckchen und legte das Geld in die Schachtel, und dann legte er das Päckchen wieder zurück und machte eine freundliche Miene dazu.
Das hätte er nicht tun sollen! Die Kinder drehten sich zur Wand und weinten! Er hatte sie beschämt! Er hatte sie beleidigt! Daß er es so doch nicht gemeint hat, sagte er auf deutsch zu ihnen, es wär doch wundervoll, nun könnten sie ein und dasselbe Kaugummi zweimal verkaufen! - Sie drehten ein bißchen den Kopf, was für eine sonderbare Sprache das ist, aber sie ließen sich nicht trösten. Der Fremde hatte ihre Ware verschmäht!
Er hatte sie verhöhnt.
Die Gäste des Cafés nahmen Anteil an diesem Drama, sie selbst hätten zwar kein Kaugummi kaufen wollen, aber dies war nun doch ein starkes Stück: Der Mann dort mit der goldenen Brille hatte die Kinder beleidigt!
Rutherford wischte mit Brot seinen Teller sauber und Sotschick trank das Wasser aus. Und dann zahlten sie und machten, daß sie fortkamen. Sie gingen zum Auto zurück, und auf dem Weg dahin entdeckte Alexander tatsächlich genau das, was er gesucht hatte, eine Heiligenfigur, aus Kistenholz geschnitzt, mit schiefem Kopf, bunt bemalt, die Krone mit Silberpapier beklebt.
So was Originelles besaß keiner seiner Freunde, alle würden sagen: Und woher haben Sie diese Figur?
«Die habe ich aus Mexiko mitgebracht …»Man mußte eben die Augen offenhalten, das war der ganze Witz.
Das Auto stand unversehrt auf dem Hof der alten Frau. Rutherford zahlte fünf Dollar dafür, und sie verstauten sich in aller Ruhe.
Als sie eben losfahren wollten, in der Stadt noch eine Runde drehen, vielleicht hat man ja noch was übersehen, wurden sie von zwei Indianerjünglingen gestoppt. Neben ihnen standen die beiden Kaugummikinder und zeigten auf Sowtschick: Der da war es, der hat uns beleidigt!
Alexander zog sich ins Auto zurück, und Rutherford wurde in ein langes Gepräch verwickelt, gestenreich, das durchaus drohend klang und immer drohender wurde. Menschen kamen herbei, die wollten wissen, was hier passiert war. Hatten sich die Fremden was zuschulden kommen lassen? Auch Hühner kamen, wenn auch zögernd, und Hunde! Sogar ein Mann mit einem Esel, der alles ganz genau wissen wollte.
Zuerst hatte Rutherford noch gesagt, sie sollten das Maul halten und sich wegscheren, dann aber modulierte er seine Stimme und verlegte sich auf Zeichen der Güte und der Völkerfreundschaft, daß er Mexiko liebt und daß sie anständige Kerle sind, und er selbst ist auch ein angenehmer Mensch, nun ist es aber genug, nun will er wegfahren, er hat seine Zeit schließlich nicht gestohlen … Alexander verstand kein Wort, aber er merkte, daß sie in Schwierigkeiten gerieten. Die Zurückweisung des Kaugummis konnte man nicht durchgehen lassen. Sich vorbeugen und sagen:«My name is Alexander Sowtschick, I’m invited …», das hätte keinen Sinn gehabt. Andere
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