Letzte Gruesse
sagen,«mein Mann hat einen Blick für alles Außergewöhnliche.»
Gefeilscht wurde nicht in diesen Läden, weil sie nicht Mexikanern, sondern Amerikanern gehörten. - Hosenträger nach Art der Stars und Stripes gab es hier natürlich nicht. Aber Farmerhemden! Drei Stück kaufte Alexander, das mochte reichen. Damit hatte er seinen Freund von Dornhagen vom Hals.
Neben der Kasse standen winzige Krippen, aus Zahnstochern und Weinkorken gemacht, das Stück zu einem Dollar. - Vielleicht wäre das etwas?
«Davon hat Schätzing auch welche gekauft …», sagte Rutherford, deshalb kamen sie für Alexander nicht in Frage. - Mit Schätzing war er also auch hier gewesen? Auch in der Kirche? Überall? - Trotz seines schlimmen Beins?
Von Exklusivität konnte also keine Rede sein. Wahrscheinlich war auch Ellen Butt-Prömse hier ratlos von Tisch zu Tisch gestrichen. Hatte sie einen Poncho gekauft?
Die beiden liefen noch ein wenig in den mit Schlaglochseen bedeckten Straßen herum, und dann setzten sie sich in eine offene Garage, die zum Kaffeehaus ausgestaltet worden war, wo Alexander jegliches Essen verweigerte wegen der Folgen, die in diesem Land nach solchem Genuß zu erwarten waren.«Montezumas Rache», an diesen Spruch erinnerte er sich.
«Das ist sehr klug!»sagte Rutherford und verlangte allerhand von diesem und von jenem, er für seine Person wollte sich mal wieder richtig satt essen.
Alexander bestellte eine Flasche Mineralwasser und trank aus der Flasche, mit zusammengebissenen Zähnen, man konnte ja nie wissen, und Diarrhö hätte ihm grade noch gefehlt!
Von Schätzing hatte Rutherford allerhand Kristallines zu berichten.«Kennen Sie ihn?»
«Er hat sehr gut von Ihnen gesprochen …»In seiner Vorlesung habe er die eigene Arbeit an der Wandtafel durch geometrische Figuren dargestellt und erläutert, Schnitte durch alle möglichen
Körper, Pyramiden und Oktaeder, und nicht nur die eigene Arbeit habe er erläutert, sondern auch Sowtschicks Romane. Leider konnte sich Rutherford nicht mehr genau daran erinnern, wie das gelaufen war. Schätzing habe seine eigenen Figuren mit denen Sowtschicks kombiniert, irgendwie so. Als ob man einen Apfel in Scheiben schneide, mal so und mal so, aber abstrakt. Und: These und Antithese, so in dieser Richtung.
Schätzing und seine Dulzinea. Endlos hatten sie sich gestritten, die ganze Zeit über. Schätzing habe auf das Gemecker dieser Frau eher ruhig und besonnen reagiert. Sie dagegen bis ins Keifende hinein. Er soll nicht so viele Pillen nehmen, habe sie dauernd gesagt, und was für verrückte Ansichten er hat. Und er immer ruhig und besonnen, obwohl es ihm nicht gutging. Immer Schmerzen und voll Sorge, wie’s denn nun weitergehen soll. Scheinbar habe er das Geld gebraucht, sonst wäre er bestimmt schon nach Hause gefahren.
Im übrigen habe sie ihm ganz nett die Sachen getragen und ihm aus dem Auto geholfen. Das könne man nicht anders sagen. Allein hätte er es wohl nicht durchgestanden.
Bald schon wurden Fladen und Bohnen und fettes Fleisch gebracht. Rote, gelbe und grüne Saucen, in die Rutherford die Fleischbrocken tunkte. Er betrachtete nachdenklich das schmutzige Besteck, mit dem er essen sollte. Na, vielleicht hatte es ja ein Amerikaner kurz vorher benutzt, mit dem Schlimmsten soll man nicht gleich rechnen. Am besten alles aus der Hand essen.«Dreck reinigt den Magen», sagte Sowtschick und erbat sich ein Stück Brot von Rutherford, das würde ihm nicht schaden können.
Ob es in diesem Städtchen wohl einen Schriftsteller gebe, das war die Frage, oder einen Künstler, den man auf seiner Hazienda hätte besuchen können, hoch über der Stadt, mit Esel im Stall und aufgehängtem Knoblauchgeflecht unter dem Dachfirst. Wenn man schon mal in Mexiko ist! Sich mit einem mexikanischen Dichter unterhalten zu wollen, das sei doch«legitim». Wann kommt man hier mal wieder hin? - Nächte hindurch, bei speziellem, nach Muskat schmeckendem Wein von einer besseren Welt träumen, die sicher kommt eines Tages, sozialistisch oder christlich, gleichviel. Mädchen mit Blumen im Haar, ein Mann mit Gitarre?
In Sassenholz war zwar noch kein Mexikaner aufgekreuzt, aber Ausländer waren schon oft zu Gast gewesen, Engländer, Franzosen und sogar ein Inder. Angenehme Gäste und unangenehme Gäste … Man hatte sie reichlich bewirtet und allerhand Anregung empfangen. Aber keiner hatte hinterher gedankt oder auch nur gesagt:«Die Deutschen sind eigentlich gar nicht so
Weitere Kostenlose Bücher