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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Toilette nicht wieder einrastete, sondern daß das Wasser fort und fort ins Bekken floß, ein Rinnsal zwar, aber immerhin.
     
    Der Fernsehapparat ließ sich nicht einschalten, aber auf seinen telefonischen Hilferuf beim Operator wurde sofort reagiert. Ein Mann kam, der sich«Angeneer»nannte, und schraubte etwas herum an dem Ding - und siehe da! Der Koch schlug dem Küchenjungen eine runter …
    Daß das Wasser im Klo sich nicht abstellen ließ, also unentwegt lief, interessierte den Mechaniker nicht. Er war für Fernsehapparate zuständig, nicht für die Toilette. TV kaputt - also das ist ganz was anderes, das ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Hier mußte Abhilfe geschaffen werden. Die Wasserspülung? Das war uninteressant, die ging ihn nichts an.
     
    Alexander rief also noch einmal unten an, die Wasserspülung … und bestellte sich einen Kaffee. Auf den Kaffee mußte er lange warten. Endlich kam der Kellner, es war ein Italiener. Hatte Zukker vergessen, und der Kaffee hatte ein Fußbad. - Sowtschick sprach harte Worte, hätte nicht viel gefehlt, und er wäre sogar laut geworden. Aber der Italiener hatte die Ruhe weg, stellte das Tablett ab und machte sich davon. Auch er hatte mit dem Klo nichts zu schaffen, wie sehr er auch mit Sowtschick gemeinsam in das Becken schaute.
     
    Alexander rief das Kulturinstitut an. Daß er gelandet sei und daß das nicht der wahre Jakob wäre mit dem Hotel hier, das wollte er da melden. Aber im Institut nahm zunächst niemand ab. War dort eine Art von Feierabend? Womöglich hatte das Institut überhaupt dicht gemacht, aus irgendwelchen Gründen, und niemandem was gesagt? Und er saß hier im elften Stock eines Hotels.«Wie hingestellt und nicht abgeholt!»sagte er laut.«Ich sitze hier wie hingestellt und nicht abgeholt!»- Endlich wurde aber doch abgenommen, und es meldete sich der Institutsdirektor, ein Herr Dr. Kirregaard aus Augsburg. Der Mann hustete nach einigem Knick-knack in das Telefon: Er freue sich, daß Alexander in der Neuen Welt gelandet ist, und: Fein, daß er da ist, und am besten ist es, er kommt gleich morgen früh mit allen Sachen rüber in die 5th Avenue, dann ergibt sich alles Weitere. Sie hätten dort ein kleines Appartement für ihn hergerichtet …«Wir freuen uns schon alle auf Sie!»
    Daß er mit dem Hotel nicht zufrieden sei, das wundere ihn aber sehr! Bisher seien noch alle Gäste zufrieden gewesen! Sowtschick wollte ihm erzählen, daß er mal in Augsburg in einem Antiquariat eine Goethe-Ausgabe erster Hand gekauft habe, vor vielen Jahren, für sehr billiges Geld, ein niedliches kleines Antiquariat mit netten jungen Leuten, von der Hauptstraße, rechts ab irgendwie, eine größere Kirche in der Nähe … Aber da war schon eingehängt.
     
    Sowtschick wusch sich die Hände, der Telefonhörer - wer alles mochte ihn schon angefaßt haben? Und er benutzte nicht die Seife von zu Haus und schon gar nicht die von der SAS, sondern das kleine, nach Teer riechende Stück des Hotels, das auf dem Beckenrand lag. So sehr auch das Wasser in der Spülung rann - aus dem Waschbecken roch es deutlich nach Urin.
     
    Alexander wartete noch eine Weile auf den Mechaniker, der die Spülung abstellen sollte - am Ende kämen Aberhunderte von Litern zusammen, wenn das hier so weiterginge, womöglich müßte er das am Ende gar bezahlen:«Das hätten Sie aber melden müssen!»So in diesem Stil,«wenn nun sämtliche Toilettenspülungen der Stadt laufen, dann ist es bald am Ende mit der Wasserversorgung dieser Riesenstadt. - Das hätten Sie sich doch selbst sagen können …»
    Er wartete und wartete, dann aber überwog der Tatendrang. Was macht ein Mensch in New York, wenn er eben frisch angekommen ist? - Man geht hinunter auf die Straße, auch wenn es regnet, man mischt sich ins Getriebe der Weltstadt.

6
    Trotz der abendlichen Stunde war Betrieb auf der Straße, in Massen kam ihm Menschheit entgegen.
    Wenn die nun alle im Gleichschritt gingen!, dachte er. Und dann sagte er laut:«Aber das tun sie ja! Das tun sie ja!»
    Niemand wunderte sich darüber, daß er laut mit sich sprach. Die kannten das, daß hier einer mit sich selbst spricht. Nur ein schwarzer Jüngling drehte sich nach ihm um, in eine flanellene Kombination gekleidet, Hosen mit Schlag, ein auseinanderklaffender flanellener Mantel, Ton in Ton, eine silberne Kette um den Hals. Und nach dem drehten sich wiederum andere Leute um: Ton in Ton? Das wirkte irgendwie wunderlich. Der hatte sich diese Sachen

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