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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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von Europa kriegt, von Kaffeehäusern, kleinen Buchhandlungen und von Schwarzbrot, so daß sie endlich mal kapierten, wie man mit Europa umzugehen hat. Daß man also nicht Bombenteppiche ablädt auf Barockkirchen und hinter den Mädchen herpfeift, sondern die Hände gefälligst aus den Taschen nimmt.
    Schließlich kam man nicht als Bettler.
    Endlich wurde er herangewinkt, man wies ihm nochmals den Kreidestrich, daß er sich das mal merkt, was das bedeutet. Und dann besichtigte ein italienisch aussehender Beamter das Drei-Farben-Visum in seinem Paß. Ob er in den USA Arbeit sucht? Nein, nur herumreisen und Vorträge halten, er sei so eine Art Professor. - Wenn er von Arbeit gesprochen hätte, dann wäre er sofort zurückgewiesen worden, wie es zwei korpulenten Holländerinnen vor ihm widerfuhr. Gleich in die nächste Maschine gesetzt. Soweit kommt das noch, daß Fremde unseren Leuten die Arbeit wegnehmen. Daß New York einmal Neu-Amsterdam geheißen hatte, war in Vergessenheit geraten.
    Alexander mußte seine Geldmittel vorweisen, die er in einer Geheimtasche seines Gürtels stecken hatte, da, wo sie keiner vermutete. Ob er für sich selbst zu sorgen imstande sei, damit er auch keinem zur Last fällt, wurde er gefragt, und dann durfte er für diesmal passieren.
    «Stopp!»wurde noch einmal gerufen. Er hat hier noch einen Tragegurt für seine fabelhafte Tasche liegenlassen.
     
    In der Neuen Welt regnete es. Sowtschick wollte ein Taxi nehmen, aber da wurde er schon wieder gestoppt. Diesmal waren es zwei ältere Damen, die ihn am Ärmel faßten und zurückhielten. Sie steckten ihm eine gelbfarbene Flugschrift zu und schärften ihm ein, ja nicht mehr als zwanzig Dollar zu zahlen, die Taxifahrer hier in New York versuchten immer wieder Ausländer übers Ohr zu hauen. - Der in Frage kommende Taxifahrer, ein Schwarzer, stand brav daneben und hörte sich das an. Der war auch der Ansicht, daß man Fremde nicht übers Ohr hauen darf. Er half Sowtschick beim Einsteigen und erzählte, daß der Wagen nagelneu sei. Goldwater hieß er, und vorn am Armaturenbrett klebten Fotos von Frau und Kind.
    Der Wagen reihte sich ein in den Strom der Autos und fuhr der Weltmetropole entgegen. Sowtschick guckte mal rechts und mal links aus dem Fenster, daß ihm auch nichts entgeht. Über eine große Brücke ging es, und dann hatte ihn die Stadt.
    Es war verabredet worden, daß Alexander wegen der vorgerückten Stunde die erste Nacht in einem Hotel verbringen solle und erst am nächsten Morgen ins Institut übersiedeln, da gebe es dann ein feines Zimmer für ihn. Alle freuten sich schon auf sein Kommen, hatte man gesagt.
    Das Hotel war gitterlich verschanzt, Eingang vergittert, Portier hinter Gittern, und das Zimmer im elften Stockwerk, das man ihm reserviert hatte, erwies sich als eine vollgequalmte, verschlissene Sache. Alexander warf sich auf das mit einer Blumendecke versehene, ausgeleierte Bett und lauschte dem Klopfen seines Pulses. Draußen heulten Polizeisirenen, wie er das aus Filmen kannte. Sie jaulten und hallten nach, und aus der Ferne antwortete anderes Gejaule.
     
    Sowtschick trat ans Fenster: Gegenüber eine Wand von Fenstern, hoch hinauf, und daneben weitere Fensterwände, auch hoch hinauf. Er nahm das Hapag-Glas aus der Tasche, um etwas mitzukriegen von dem, was in diesen Häusern vor sich ging: In der Tat, so war es besser. Aber vielleicht beobachtete man ihn ja von einem der Fenster aus und kriegte mit, daß er hier die Gegend absucht, und dann würde man ihn vielleicht anzeigen als einen Voyeur, der sich auf anderer Leute Kosten amüsieren will … Er stellte sich im Klo vor den Spiegel und betrachtete sich: So war man denn nun in New York, das war einem nicht an der Wiege gesungen … Er öffnete das schmale Fenster und pfiff einen Jazz vor sich hin. Und jetzt hörte er von gegenüber in all dem Gejaule ganz deutlich jemanden eine Mozart-Sonate auf dem Klavier spielen, die Triller etwas liederlich ausgeweitet und die Läufe in der linken Hand der Einfachheit halber akkordiert. Aber immerhin, es war die Jagdsonate, die er selbst so gerne spielte, wenn er mit sich allein war, seit er sie einmal in einem Film von Godard gehört und gesehen hatte. - Dies war nun ein schöner Gruß. Die Menschen, die hier eingewandert waren, hatten also etwas mitgebracht von drüben. Wenn in Europa alles zu Bruch ginge, würde die alte liebe Heimat hier weiterleben. Das kam Sowtschick tapfer vor.
    Bedenklich war es, daß der Wasserspülknopf der

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