Letzte Gruesse
Professor aus Münster hatte ihm gute Worte zu sagen gewußt.
Das war, wenn man richtig rechnete, zu einer Zeit gewesen, in der Schätzing und seine Leute noch zur Schule gingen. Oder als Junge Pioniere die rote Fahne umstanden …
Es hatte ein paar lobende Worte gegeben, in der Augsburger Allgemeinen , von anderer, sehr gewichtiger Seite waren seine Gedichte jedoch als intelligente Knickprosa bezeichnet worden. Und da hatte er dann lieber gleich auf Prosa umgeschaltet und sich nie wieder mit Lyrik befaßt.
Sowtschick steckte das Bändchen ein und beschloß, es verschwinden zu lassen. O Gott! Ob Schätzing es gesehen hatte? Hoffentlich nicht!
Eine einzelne Vitrine stand im Lesesaal, in der wurden Schätzings Werke gefällig präsentiert, auch sein Porträt: ein langhaariger Typ mit sehr kräftigem Prophetenbart.
Ich habe es nicht nötig gehabt, mir einen Bart wachsen zu lassen, dachte Alexander. Ich habe mich hingesetzt und habe gearbeitet.
Nun wurde er an den Bürotresen gewunken. Eine der Vorzimmerdamen zahlte ihm für die Lesung, die er in der Columbia-Universität würde halten müssen, zweihundertfünfzig Dollar auf die Hand. Dieses Geld melde das Institut in Deutschland allerdings der Steuer! Dies zu seiner Kenntnis: Damit er gleich Bescheid weiß und es drüben dann ebenfalls angibt, sonst kriegt er irgendwann mal Schwierigkeiten. Wie die Pechel im vorigen Jahr, bei der habe es sogar eine Hausdurchsuchung gegeben.
Vom Bankhaus hoch, da komm’ ich her,
ich bring euch neue Aktien schwer …
Sodann wurde ihm der offizielle korrigierte und ergänzte Reiseplan ausgehändigt.«Alle freuen sich schon auf Sie.»
Quer durch die USA würde es gehen, bis hin zum Pazifik und wieder zurück, einschließlich eines Abstechers nach Kanada. Auch Mexiko war vorgesehen gewesen, aber der dortige Chef hatte abgewinkt. Sowtschick? Was sollen wir denn mit diesem Reaktionär? Lebt der überhaupt noch?
Die Einladung des Botschafters komme leider nicht zustande:«Hat der Mann was gegen Sie? - Wissen Sie, Herr Sowtschick, nehmen Sie’s nicht übel, Sie gelten als konservativ, und da müssen Sie sich nicht wundern, daß die Leute sich mit Ihnen nicht exponieren wollen … Haben Sie nicht kürzlich mal was von den ‹Brüdern und Schwestern im Osten unseres Vaterlandes› geredet? Oder sogar ‹Ostzone› gesagt?»
Wie auch immer: Heute abend hier in New York lesen und dann in Philadelphia. Nette Leutchen dort, die wären schon ganz wild auf ihn. Hätten extra darauf bestanden, ebenfalls in den Plan aufgenommen zu werden, und hatten gerade noch dazwischengeschoben werden können.
Es war auch eine Lesung in englischer Sprache erbeten worden, das war ihm bereits bekannt, die würde er noch einüben müssen. An sich kein Problem, denn sein Buch«Harvest on Sea»war ja auf Englisch erschienen. Das Zigeuner-Kapitel würde sich eignen, da lachten sich die Leute doch immer kaputt …
Der große Vortrag vor dem Übersetzerkongreß war für Los Angeles vorgesehen:«Sie haben ihn doch dabei?»
Er habe gedacht, sagte Alexander, er wolle ein paar Worte sagen zu den Schwierigkeiten, die es zu überwinden gelte, wenn man einen Roman schreiben will. Was man da alles bedenken muß, die Technik usw. Kleine Schritte, tastend und doch kühn, einer großen Linie folgend, die man im Kopf haben müsse. Alle Einzelheiten ihr unterordnend.
Wie ein Kapitän komme er sich manchmal vor, der auch an alles denken muß. An die Ladung, den Kurs usw.
«Ah, das ist interessant …», sagte der Institutsleiter, der in der Tür seines Arbeitszimmers stand,«vielleicht kann ich da auch noch was lernen?»Er habe schon mitgekriegt, daß es nicht genügt, den Erinnerungsbildern zu folgen. Bei seinem Kindheitsentwurf zum Beispiel …
Erste und letzte Station von Sowtschicks Reise würde New York sein, und als Scheitelpunkt war San Francisco anzusehen.
An den Vortrag für die Übersetzer dachte er mit Bangen, aber vielleicht würde er ja zu diesem Zeitpunkt wieder mal einen vergifteten Hamburger gegessen haben. Wer konnte das wissen? Ihm war schon so viel passiert in seinem Leben, daß er dies für denkbar hielt.
Wieso es von ihm und seinen Werken hier keine Vitrine gebe?, fragte er dann doch noch.
«Aber, Herr Sowtschick! Hier kennt Sie doch jeder …», wurde geantwortet. Außerdem habe der Verlag keine Bücher und keine Plakate geschickt.
Eine Quittung für die Arztkosten konnten sie ihm hier nicht beschaffen, aber vielleicht
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