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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Menschen, die ihn kannten, hätten gelacht.«Typisch Sowtschick! »hätten sie gerufen. Jennifer hingegen runzelte die Stirn, die wies auf Schiffe hin, die von den Deutschen versenkt worden waren im letzten Krieg, mit Kindern beladen. Und auf die Ertrinkenden hatten sie noch geschossen.
     
    Die Tauben flogen nun vor ihnen her. Auf den Parkbänken saßen Müßiggänger beiderlei Geschlechts, jeden Alters und jeder Hautfarbe. Hier schwenkten die Tauben ein: sich füttern lassen. Sowtschick mußte an die Emigranten denken, die hier auch gesessen hatten, und daß er nicht gewußt hätte, was er hätte anfangen sollen in einer so großen und durch und durch fremden Stadt. Teller waschen? -«Am besten ist es wohl in so einem Fall, man meldet sich bei einer Sekte und tut so, als ob man sich bekehren lassen will», sagte er zu seiner Begleiterin. Die helfen einem dann. Und wenn sich was anderes ergibt, sofort Schluß machen mit der Sache und abschweben.
    Das war der zweite Fehler. Ob man den Start in der Neuen Welt gleich mit einer Lüge beginnen sollte, das erschien ihr fragwürdig. Man kann seine Ansichten doch nicht wie ein Hemd wechseln? Ziemlich windig, was?
     
    Alexander erzählte von seiner Magenvergiftung. - Dürfe man Vögel eigentlich mit Brot füttern?
    Das geschehe hier Tag für Tag, ohne daß es den Tieren bisher geschadet habe, sagte Jennifer. Es sei typisch deutsch, daß er an so was Anstoß nimmt. Die Deutschen seien ein Volk von Oberlehrern.
     
    Der Park kam Alexander auch ein wenig wie Planten und Bloomen in Hamburg vor, aber der Verkehr rundherum hatte etwas Drohendes. Als ob der Park herausgesägt werden sollte, so fuhren die Autos um ihn herum, Stunde um Stunde, Jahr um Jahr. Und die Hochhäuser über den Bäumen? Dagegen war Hamburg ja direkt gemütlich.
    Wind wehte durch die Straßenschluchten, Blätter kräuselten sich. Alexander dachte sich einen fliegenden Robert, der mit seinem Schirm hinaufgetragen wird bis an den First der Hausriesen. Wie käme er wieder herunter?
     
    Jennifer gab ihm den Rat, auf keinen Fall des Nachts in diesem Park spazierenzugehen. Sie wies auf die eine Angestellte des Instituts hin, die hier schon mehrmals vergewaltigt worden sei, weil sie es nicht lassen konnte, abends mit dem Fahrrad durch den Park nach Hause zu fahren. Der Körper von blauen Flecken übersät, genäht habe sie werden müssen und so weiter. Sowtschick sagte: Das verstünde er nicht, man brauche hier doch nur ein paar Polizisten zu postieren.
    Da sah ihn Jennifer grade an und sagte: So was mache man vermutlich in Deutschland, hinter jeden Busch einen Polizisten postieren, hier habe man andere Vorstellungen von freiheitlichem Bürgerleben. Und sie schilderte Fernsehbilder von Polizisten in Deutschland, die unter Helmen und hinter Schilden mit Knüppeln auf Demonstranten losgingen. Die Leute in Deutschland dürften ja nicht einmal brennende Kerzen vor Kirchen deponieren …
     
    Weil er nun so gar nicht landen konnte bei der jungen Frau, zeichnete Alexander mit einem Stöckchen den Grundriß seines Hauses in den Sand. Er hatte Übung darin. Der Turm, das Studio und der Schwimmgang. Dies sei das Haus, in dem er wohne. Und er rechnete ihr vor, wie sinnvoll es sei, sich einen Swimmingpool in Form eines Ganges zu bauen, wieviel günstiger das wäre als ein normales viereckiges Becken.
    Auch erzählte er von spanischen Abenden im Innenhof seines Hauses und von Hauskonzerten. Ja, er zählte es an den Fingern her, wer alles bei ihm zu Gast gewesen war.
    «Auch Schätzing?»fragte sie.
    «Nein», sagte Alexander, und das sei wohl auch gut so, denn mit dem wäre er gewiß sofort aneinandergeraten. Aus dem Osten kommen und den Westen als Dreckloch bezeichnen!
    Jennifer stand auf. Kommen Sie, sagte sie, sonst schlagen wir hier noch Wurzeln. Sie mochte einen Plan haben, nach dem sie ihm die Stadt zeigen wollte, und der mußte nun erfüllt werden. Beim Gehen schlugen sie aneinander, das war ein schlechtes Zeichen. Menschen, die füreinander bestimmt sind, schlagen nicht gegeneinander, es sei denn, sie tun es von Herzen. Jennifer gab auf den Verkehr acht, und Alexander guckte in die Fenster der Restaurants, ob da nicht vielleicht Schätzing sitzt und mit ernsthaften Leuten über Sozialismus diskutiert. Auf den dann zueilen und sagen: Sie hier? Na, das ist vielleicht eine Überraschung!
     
    Nach längerem Rundherum, bei dem sie hin und wieder berittenen Polizisten begegneten, die hier des Nachts nicht patrouillierten,

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