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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Jugend, zwischen einer großen Schwarzen und einer kleinen Blonden, und es stellte sich heraus, daß sie bereit waren, noch«irgendwo hinzugehen», und so brach die Kavalkade denn schnellstens auf, ins Hotel, wie Sowtschick vorschlug, dort würde man gewiß einen Platz finden?
    Nein, nicht ins Hotel, in ein drehbares Restaurant im obersten Stockwerk eines Hochhauses, dahin zog es sie.
     
    Bei dem jungen Volk handelte es sich um Au-pair-Mädchen aus Deutschland, die unglaubliche Geschichten über ihre Gasteltern losließen. Geschichten von unartigen Kindern, die man am liebsten gegen die Wand klatscht, und von Spaghettiabfütterungen in der Küche. Alexander saß neben einer doch etwas sehr dürren Mittelblonden, der ihr Kunststoffkleid in dem elektrostatisch aufgeladenen Restaurant ständig hochrutschte, sooft sie es auch herunterzog.
    Er bestellte eine«Fishsoup», wie er sagte, und wie es auch vom Kellner sofort verstanden wurde.
    «Sie meinen wohl eine ‹Bouillabaisse›», sagte die dürre Blonde mit dem Elektrokleid, und sie sprach das französischer aus, als es je eine Französin ausgesprochen hätte.
    Als er dann auch noch gefragt wurde, ob er wisse, was da alles drin ist, war für Sowtschick der Abend gelaufen.
     
    Morgen werde ich das Mädchen an der Rezeption nach Nadel und Faden fragen, dachte Alexander, als er wieder auf seinem Zimmer war. Und er lachte, als er sich das vorstellte.«Needle und feedle werde ich verlangen», sagte er laut.
    Und: Ich muß mich vorsehen, daß ich die Menschen nicht verachte, es sind doch alles ganz liebe, nette Leute Tun alle ihre Pflicht.
    «Bouillabaisse», sagte er mehrmals in den Spiegel hinein,«Bouillabaisse, das krieg ich auch noch hin.»
     
    Leider hörte er vom Nebenzimmer her Bumsmusik. Mitternacht. Wenn das so weiterginge, wäre an Schlaf nicht zu denken. Lange überlegte er, ob er es sich als Deutscher in einem amerikanischen Hotel erlauben darf, um Ruhe zu bitten. Schließlich sagte er sich: Machen wir einen Test, und ging nach nebenan, klopfte, und der Herr dort nahm seine Füße vom Schreibtisch und stellte den Fernseher ab. Das Dings ausstellen, das ließ sich machen.
     
    «Morgen werde ich needle und feedle verlangen», sagte Alexander immer wieder und immer lauter, und er lachte schallend, bis von nebenan rhythmisch an die Wand gepocht wurde.
     
    In der Wärme der Kissen stellte er sich vor, daß sich das verwahrloste Mädchen doch noch zu ihm schleicht, kratzt an der Tür: Sie will sich nur mal eben waschen, und ob er eine Zigarette für sie hat? Und dann durchwühlt sie sein schönes Necessaire, riecht an der Flasche mit dem Männerparfüm … Ein schlüpfriger Film war das, der sich in Alexanders Gehirn abspulte. Auch das Langrohrgeschütz aus Shepperdy kam darin vor.
    Der Zinnmann mit den gelben Hosen stand auf seinem Nachttisch und lüftete den Hut.

18
    An der hochberühmten Universität Yale empfing ihn ein Herr aus der wissenschaftlichen Crème, ein Professor Bloomer, mausgrauer Anzug, letzte Haare auf dem kahlen Kopf quer gelegt. Er begrüßte ihn auf diskrete Weise unhöflich, sprach also mit seiner Sekretärin eine Weile weiter, ach ja, da ist ja unser Gast aus Deutschland …
    Sowtschick bedankte sich für die Einladung an die hochberühmte Universität. Er sei wahnsinnig stolz, daß es ihm erlaubt sei, sich an diesem außerordentlichen Institut mit seinem Werk vernehmen zu lassen. Leider sagte er«Jail» 1 statt«Yale», und da wurde er natürlich sofort lächelnd gerügt: Zwar habe jede Universität auch etwas mit Zucht zu tun, aber ein Zuchthaus sei diese Hochschule auf gar keinen Fall, siebzehnhundertundeins gegründet, eine freie Stätte des Lehrens und Lernens. Gemessenen Schrittes durchstreiften sie das Gelände. Bloomer immer einen Schritt voraus, und Sowtschick mit all den Schnüren an der Mehrzweckjacke hinterher, Kapuze auf dem Rücken, Kamera vorm Bauch und Prinz-Heinrich-Mütze auf dem Kopf. Studenten beiderlei Geschlechts blickten sich um: Das wollten sie sich nicht entgehen lassen, ein kontinentaler Backwoodsman in Yale?
     
    Sie schritten unangefochten dahin, blieben hin und wieder auch mal stehen, um einem Erdhörnchen zuzusehen und Kollegen zu grüßen, die grüßend vorübergingen.
    «Hello, Bob, dies ist Mr. Sowtschick aus Deutschland …», rief Bloomer in die Gegend.
    «Aha, aus Deutschland …», wurde geantwortet, und Alexander wurde gemustert, sonderbare Mütze auf dem Kopf, der Mann, aber die Schuhe in Ordnung.

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