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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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zu sagen, es geht so was Vertrauenerweckendes von ihm aus … und sie wundert sich, was für ein anständiger Mensch er ist! In Amerika herumzufahren ohne Frau und nicht links und nicht rechts zu gucken. Oder ob er hier oder da vielleicht doch mal was aufreißt? Was?
    Ob er vielleicht ein ganz Schlimmer wär?
    Gelegenheit macht Diebe!
     
    Sie lachte pausbackig und drängte sich an ihn, zitterte gar, und oh!, da schob sie ihn schon auf die Lagerstatt, daß es doch mal ulkig ist, hier so was miteinander zu machen, wo einen keiner kennt, und sie hat gleich gedacht, vom ersten Augenblick an, was für ein rasanter Mensch er ist … leider hat sie schon ein bißchen Hüften, aber der Busen ist noch in Ordnung … Es nützte nichts, daß er sagte, ihm sei offenbar die Wurst nicht bekommen. Er zeigte ihr auch die vom Rasen vergifteten, stark juckenden Stellen an seinem Körper, an den Armen und Schenkeln, und sagte zu ihr, daß er bei gewissen Anstrengungen hin und wieder vorm linken Auge ein leuchtendes Horn sieht. Und wenn er hier nun einen Schlaganfall kriegt?
    Ihm ist manchmal so«komisch»!
     
    Um sie abzulenken, deutete er auf die Fotos, die auf dem Boden lagen, das seien auch alles Menschen mit ihrem je eigenen Schicksal, bei manchem komme es dicke … Es nützte nichts … - Und während draußen über Disneyland das Abendfeuerwerk abgebrannt wurde, dachte Alexander: Herrgott! Sei mir armem Sünder gnädig! Und er griff, um irgend etwas Neutrales zu tun, zur Uhr, wie spät es ist und: was? - erst fünf vor neun? Also einundzwanzig Uhr, auf deutsch gesagt.
    Und ganz natürlich war es, daß sich unter den Griffen der Frau, wie heftig sie auch ausgeführt wurden, eine Reaktion in ihm vorbereitete, und da - hatte man es nicht gedacht! Obwohl er mit aller Kraft an einen Kirchturm dachte, passierte es auch schon, und der ganze Lack ging in die Hose …
     
    An diesem Erlebnis würde er noch lange zu knacken haben, das war Alexander klar.«Unverhofft kommt oft!»
    Während er seine Kleidung in Ordnung brachte, ging die Frau im Zimmer auf und ab, daß sie zwei Schwestern hat, die auch schon geschieden sind. Und dabei trat sie auf die Fotos, und das war Alexander nicht recht. Schließlich sagte er, er hat eine Idee: Damit sie noch eine Weile an ihn denkt, schenke er ihr etwas ganz Besonderes! Und dann drückte er ihr die Dichterpuppe aus Washington in den Arm, und es gelang ihm, er schob sie aus dem Zimmer.
     
    An sich ja tragisch, dachte er. Die arme Frau … Und dann stellte er den Fernseher an, in dem ein Boxkampf gesendet wurde, und er überlegte, ob er Marianne anrufen sollte. Das lieber nicht, dachte er. Heut lieber nicht.
     
    Dry toast with butter - am anderen Morgen sah die Welt schon anders aus. Frisch gewaschen und rasiert saß er auf der Terrasse vor dem Hotel und sah die Lehrerinnen aus dem Hotel auf den Parkplatz strömen. So manche lächelte ihm zu. Seine nächtliche Abenteuerfrau wurde von einem ganz normalen, schmächtigen Herrn abgeholt, eine Denkerstirn hatte er. Ihr feistes Kind hatte sie an der Hand, und die in Zeitungspapier gewickelte Dichterpuppe trug sie unter dem Arm.
    Immer diese pädagogischen Tagungen, daß sie das aushält, mochte der Mann zu ihr sagen.
    Alexander fand es merkwürdig, daß es ihm nach der nächtlichen Anstrengung nicht«komisch»geworden war. Keinerlei Kribbeln im Fuß, kein Horn auf der Netzhaut, er fühlte sich eher erfrischt, wie nach einem kühlen Bad. Kein Zweifel, er hatte einen klaren Kopf.

22
    «Deutsche Wochen.»Außer dem Übersetzerkongreß war für die nächsten Tage nichts Besonderes vorgesehen. Man wollte ihm Ruhe gönnen, sich selbst und den Gastgebern natürlich auch. Ein Sightseeing nach dem anderen, das dauernde Abholen vom Flughafen und wieder Hinbringen. Und von drüben reisen schon wieder welche an, ganze Kompanien unzufriedener, anspruchsvoller Autoren. Und jeder mit einer handfesten Macke. Saufköppe und Nichtraucher, Klaustrophobe, Allergiker und Freßsäcke. - Es mußte eine Pause eintreten, man lehnte sich zurück. Bisher hatte noch alles geklappt.
     
    Alexander wurde also in einen Kurort geschafft, am Fuß eines Skigebiets.«Als ich ein Knabe war, rettete ein Gott mich oft …»Das Hotel war im Schweizer Stil erbaut, es hieß«The Yodler». Er bekam ein sehr großes Zimmer, es waren eigentlich zwei Zimmer, eine Zwischenwand zum Ausfalten teilte es, sehr nützlich für den Fall, daß mal eine große Familie kommt. Es wurde anscheinend auch als

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