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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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entfernen und sie richtig herum aufeinanderlegen.
    Ganz schön schon, aber es hätte mehr sein können. Und dann rechnete er aus, wieviel es am Ende der Reise sein werde, und er halbierte die Summe, wegen der Steuer. Wie würde sich die Raiffeisenbank in Sassenholz freuen über eine solche Einlage! Der Bankleiter würde abends zu seiner Frau sagen:«Mit dem Sowtschick geht es aufwärts …»
     
    Die Frage war, ob Schätzing nicht vielleicht mehr bekäme? Wer konnte das wissen? Vielleicht hatte er geschickter verhandelt? Zuzutrauen wär’s ihm. Daß auch Klassenkämpfer Aktien kauften, war ihm bereits zugetragen worden.
     
    Das Tagebuch. Er blätterte hin und her, aber mit den kümmerlichen Notizen, die er vorfand, war kein Staat zu machen. Wenn er wenigstens fotografiert hätte! Bisher hatte er nur ein paar Fotos von New York und Orlando gemacht, von denen er noch nicht einmal wußte, ob sie was geworden waren. Jennifer! Wie sah sie man noch aus? Und Sophie, die Zypriotin, bei den Indianern, das wäre doch etwas für seine Spezialsammlung in Sassenholz gewesen, für die Mappe, die er im Kabinett stehen hatte, neben dem Sekretär …: Jennifer im Central Park und Sophie auf dem Felsen sitzend, auf den wildschäumenden Fluß hinunterblickend?
    «Do you have a publisher?»hatte sie gefragt.
    Vielleicht hätte man Jennifers Krawatte doch behalten sollen?
     
    Er nahm sich vor, künftig ausführlicher zu sein mit seinen Tagesnotizen. Es würde sich nichts rekonstruieren lassen, wenn er jetzt nachließe. Und den Fotoapparat wieder aufladen und die Linsen putzen. Noch war es nicht zu spät.
    Er nahm seinen Stift und schrieb«The Yodler»in das Buch. Obwohl er gerade in diesem Fall fast sicher war, daß er das nie vergessen würde: ein Hotel in dieser Gegend mit einem solchen Namen? Ein Hotel, in dem er eine solche kränkende Enttäuschung erfahren mußte.
     
    Er ging in dem großen Zimmer auf und ab. Es hatte zwei Toiletten, zwei Teeküchen und zwei Fernseher. Ausblick auf schneebedeckte Berge. Ein bißchen wie im Harz, mit bunten Holzhäusern gesprenkelt. Harz plus Wildwest.
    An den Fenstern fuhren Autos mit Skiern auf dem Dach vorüber, und im Restaurant saßen Menschen im Pullover und mit schweren Stiefeln an den Füßen, Männer, Frauen und Kinder: alle im Pullover.
     
    Er setzte sich vor den Fernseher: Nachrichten über Ufos, Boxen und das Wetter. - Sport: Winning is the way of life. Eine Demonstration von Behinderten vor dem Weißen Haus, auf Schildern stand zu lesen, daß sie auch Sport machen wollten. - Frauen redeten über Kriminalität. Neighbourhood! Einer muß dem andern helfen! - Möbelgeschäft Hoffmann ist anders als alle andern. - Dann ein gutgekleideter Baptistenprediger. Läuft auf der Bühne herum, das Mikrophon in der Linken, Bibel in der Rechten, regt sich über die Menschheit auf, wischt sich den Schweiß, fummelt an seiner Weste herum: Was ist denn mit dem Kabel los?
     
    Schließlich drehte Alexander den Apparat ab. Er packte seine beiden Reisetaschen aus und um, er sortierte die warmen Sachen in die große Tasche und die leichten in die kleine. Wohin mit dem Karton voll Fotos?
    Man würde ihn am besten nach Hause schicken.
    Er holte sich von der Rezeption Packpapier und Bindfaden und schlug ihn ein. Als er den Karton fest verschnürt hatte, packte er alles wieder aus: Vielleicht würde man ja dem Schätzing doch noch begegnen, auf den würden die Bilder Eindruck machen. Er würde sich vielleicht ärgern, daß er sich Fotos noch nie so genau angeschaut hatte.
    Alexander sah sich das SAS-Necessaire genauer an, so flotte Sachen hatte er noch nie gehabt, einen Schildpattkamm, handgesägt, die Zahnbürste gleich mit Paste in den Borsten, die dann freilich nur ein einziges Mal schäumte.
    Alles sehr elegant, aber das meiste davon brauchte er eigentlich gar nicht. Eine Duschhaube? Mouth wash, Après rasage, Oat Milk Shampoo. Vielleicht hätte er das Blumentäschchen von Marianne doch behalten sollen. Die Zahnstocher und die Kragenverstärker für die Hemden - das hatte er alles mit weggeworfen. Womit würde er das erklären können, wenn er wieder nach Hause kommt? Hatte Marianne ihm nicht extra besondere Seife eingepackt?
     
    Alexander hatte das Bedürfnis, einen neuen Anfang zu machen. Aufgeräumt hatte er nun, aber vielleicht könnte man ein Bad nehmen? Als Lebens-Reinigungsakt nicht von der Hand zu weisen. Er ließ Wasser in die Wanne laufen bis oben hin und beobachtete, wie es durch den Abfluß

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