Letzte Haut - Roman
Vorsichtsmassnahmen, die man als roten Faden durch die ganze Organisation immer wieder feststellen kann.
Im Hof fand ich ein Rudel, man muss schon sagen, ein Rudel juedischer Haeftlinge mit gelbem Stern vor, mit ihrem Kapo, der einen langen Knueppel trug, das uns sofort umkreiste, dauernd im Kreis herumlief, gegenwaertig, jeden Befehl und jeden Blick zu erhaschen.
Mich durchfuhr der Gedanke, wie ein Rudel Schaeferhunde, den ich aussprach, worauf mein Fuehrer loslachte und meinte, genau das sei auch ihre Aufgabe: Die Todesopfer sollen erst mal, beim Anblick ihrer Glaubensgenossen, Vertrauen haben. Dieses Kommando hat auch die Aufgabe, ja nicht zu schlagen, damit ja keine Panik ausbraeche. Vor einer Panik, die den Ablauf stoeren wuerde, hat man hier mehr Angst als vor allem anderen. Das Kommando soll den Todesopfern ein wenig Angst machen, damit sie Respekt haben, aber eigentlich nur einfach da sein, und die Opfer leiten und fuehren.
Hinter dem Hof ist das grosse Tor, dahinter die Umkleideraeume, aehnlich denen von Turnhallen: Holzbaenke, Kleiderrechen, auffaellig ist nur, jeder Platz ist nummeriert und hat eine Garderobenmarke. Man schaerft den Todesopfern ein, ja auf ihre Marken aufzupassen. Alles nur, damit nicht noch im letzten Moment Panik ausbraeche. An der Wand ist ein grosser Pfeil, der auf einen Gang weist, über dem ganz kurz und buendig steht: ‚Zu den Duschen‘. (Ich habe zuerst gelesen, zu den Deutschen, und mich sehr erschrocken.) In sechs oder sieben Sprachen. Man sagt denen also, kleidet euch aus, ihr werdet geduscht und desinfiziert.
Den Gang entlang lagen verschiedene Kammern ohne jede Einrichtung, kahl, nackt, Zementfussboden. Auffaellig und zunaechst unerklaerlich ist ein vergitterter Schacht, der in der Mitte dieser Kammern ist und bis zur Decke reicht. Erst hatte ich keine Erklaerung, dann sagte man mir, vom Dach aus wird durch diesen Schacht Gas, in kristalliner Form, Zyklon B, in die Todeskammern gegossen. Bis zu diesem Moment sind die Haeftlinge also genauso ahnungslos wie ich, dann aber wird die Tuer geschlossen, und es ist freilich zu spaet.
Gegenueber den Todeskammern sind Leichenaufzuege, die zum ersten Stock fuehren, der von der anderen Seite aus zur ebenen Erde liegt.
Das eigentliche Krematorium ist ein riesiger Saal, der an einer Seite eine lange Reihe von Oefen hat. Geplaetteter Fussboden, alles atmet eine sachliche, neutrale, technische, wertfreie Atmosphaere aus. Spiegelblank, geleckt, einige Haeftlinge in Monteuranzuegen, die gerade Armaturen polierten, als ich da war, sonst alles still, alles leer.
Nachdem ich diese aeusseren Einrichtungen gesehen hatte und irgendwie SS gar nicht in Erscheinung getreten war, interessierte ich mich natuerlich fuer diese und wollte die SS Leute sehen und kennenlernen, die diesen ganzen Apparat verwalten und in Betrieb hielten, woraufhin mir ein kurzer Blick in die so genannte Wachstube von Birkenau gewaehrt wurde. – Und das hat in meinem Leben zum ersten Mal einen wirklichen Schock ausgeloest.
Eine Wachstube zeichnet sich bei allen Armeen durch Kargheit aus, spartanische Einfachheit, Schreibtisch, Anschlaege an der Wand, einige Pritschen für die Abloesung, Telefon, aber das hier, das war anders!:
Ein niedriger, etwas schummriger Raum. Bunt zusammengewuerfelte Couchen, auf denen malerisch einige SS Leute lagen, meist untere Fuehrungsdienstgrade, die mit glasigen Augen doesten. Statt eines Schreibtisches ein riesiger Hotelherd, auf dem vier Maedchen Kartoffelpuffer backten, offensichtlich Juedinnen, sehr schoene, orientalische Schoenheiten, vollbusig, feurige Augen, die keine Haeftlingskleidung trugen.
Diese brachten nun ihren Paschas die Puffer und fragten besorgt, ob auch genuegend Zucker drauf sei! Juedinnen fuetterten SS Leute!
Keiner nahm von mir oder meinem Lagerfuehrer, immerhin ein Hauptsturmfuehrer, Notiz. Keine Meldung, keiner liess sich stoeren, und ich traute meinen Ohren nicht, duzten sich weibliche Haeftlinge und SS doch gegenseitig!
Ich musste also ziemlich entgeistert meinen Begleiter angeschaut haben, der nur mit den Achseln zuckte und sagte: „Die Maenner haben eine schwere Nacht hinter sich. Sie hatte einige Transporte abzufertigen.“
Das hiess, dass waehrend ich im Zug nach Auschwitz stand, hier Tausende von Menschen vergast und verascht worden waren: Und nicht ein Staeubchen auf auch nur einer Ofenarmatur war übriggeblieben!
Nach Birkenau also habe ich einen Rundgang durchs Lager gemacht, was man so alles auf
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