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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Richter aus dem Hessischen all seine Leute, doch wurde das Kontingent immer wieder mit neuem Blut aufgefrischt. Die neuen Leute verstanden immer weniger deutsch, und Rottenführer Grass gab es schließlich auf, seine Befehle zu brüllen. Er entwickelte eine raffinierte Zeichensprache und ernannte Sturmmann Schmelz zu seinem Stellvertreter, der seine Befehle ins Französische, Englische, Italienische und Holländische übersetzte. Eigentlich hätte er ja den Mann mit seinen Talenten den Vorgesetzten melden müssen, damit er innerhalb der Division an kriegswichtigerer Stelle eingesetzt werden könnte, aber Rottenführer Grass wusste, eigentlich, dieses Wort ‚eigentlich‘, das sei eines dieser Wörter, die nur zur Unterhaltung gedacht waren. Er sorgte lieber dafür, dass Sturmmann Schmelz nicht mehr auf eines der MGs musste. Sturmmann Schmelz musste sich in diesen drei Wochen nur um den Munitionsnachschub kümmern, während in diesen Tagen der oberste Anführer der Nazis bei einem Besuch der Heeresgruppe Mitte ankündigte, sobald Moskau gefallen wäre, sollte die Stadt mit riesigen Anlagen geflutet werden, um die Einwohner zu ertränken.
    Es war schon der siebenundzwanzigste September einundvierzig, vor acht Tagen war Kiew gefallen und vor drei Tagen waren die Kesselschlachten östlich der Stadt beendet worden, bei denen insgesamt sechshundertfünfundsechzigtausend Sowjets in Gefangenschaft geraten waren, die alle erschossen wurden, als Rottenführer Grass gegen Mittag endlich den Befehl erhielt, die Stellung aufzugeben und mit seiner zwanzig Mann starken Einheit ans südöstliche Stadtzentrum von Dnjepropetrowsk zu kommen. Er gab den Befehl an Sturmmann Schmelz weiter, der die ausländischen Kameraden davon in Kenntnis setzte. Die drei MGs wurden verpackt, aneinandergekoppelt und an den einzigen Kastenwagen gehängt, der ihnen zur Verfügung stand. Soviel Gepäck wie möglich wurde auf das Auto verladen, das sich schon gegen achtzehn Uhr zum Ufer des Asowischen Meeres hin in Bewegung setzte, während Rottenführer Grass eine kurze Ansprache hielt: „Männer! – Das Asowische Meer ist kriegswichtig! Wer die Krim hat, der hat die Ölfelder Asiens! Wer die Krim hat, der hat die Industriebetriebe! Wer die Krim hat, der hat Asien! Die Division Wiking hat den Auftrag, mit anderen Armeen von Osten aus der Festung Sewastopol in den Rücken zu fallen, die von unseren Truppen vorübergehend noch nicht eingenommen werden konnte. Diese Festung hindert unseren siegreichen Feldzug vorübergehend, aber sobald wir am Asowischen Meer sind, werden wir diese Verzögerung abstellen! Männer, wir gehören zur Division Wiking, und die Division Wiking ist beim Feind gefürchtet wie sonst nichts auf der Welt! – So, wie wir die Rote Armee heute aus Dnjeprodingsda vertrieben haben, so werden wir sie aus ganz Asien vertreiben und uns mit den Japanern vereinigen! Wir werden bis nach Kalifornien marschieren und dann weiter bis zur Ostküste Amerikas, von wo aus wir nach siegreicher Umrundung der Welt nach Hause kommen werden! Wie es eines Wikingers würdig ist! Siegreich und übers Meer! – In zehn Minuten Aufbruch. Wir lagern heute Nacht am Stadtrand und werden morgen früh, drei Uhr, Richtung Südost losmarschieren.“
    Im losen Haufen gingen sie durch die zerstörte Stadt. Sie blieben an den Barrikaden stehen, von denen aus die Sowjets gefeuert hatten, sahen sich die notdürftigen Verteidigungsmaßnahmen an und wunderten sich, wie die Rote Armee mit so wenig so lange hatte aushalten können. Hinter den Sandsäcken sahen sie nur wenige Patronenhülsen, in den Hausruinen fast keine leeren Munitionskisten, womit hatten diese Sowjets bloß gekämpft? Ratlos blickten die SS Männer und Söldner um sich. Die Unmengen von Leichen waren vom Regen in eine einzige Suppe verwandelt worden. Gesichter wirkten wie Pfützen, Leiber wie Schlammberge. Die Männer stolperten ständig über Leichen, weil sie diese nicht als Tote erkannten. In den bombardierten Straßenzügen trafen sie andere Wikingereinheiten, grüßten mit müdem Hallo, und Rottenführer Grass ließ auf dem Marktplatz von Dnjepropetrowsk halten, um mit den Kameraden zu rauchen und zu reden. Sturmmann Schmelz blieb an der Seite von Rottenführer Grass, und so erfuhr er von einem Hauptsturmführer, dass die Rote Armee noch lange nicht geschlagen sei. Sie sei vorübergehend zurückgewichen, um sich am südlichen Ufer des Asowischen Meeres zu sammeln. Sie halte noch die Straße von Kertsch,

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