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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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lächelnd, stand auf und packte sein Zeug zusammen.
    „Zwei Jahre!“, lachte Rottenführer Grass los: „Hannibal hatte auch nur einen Winter, um über die Alpen zu kommen, und der war nicht mal deutsch!“
    „Dafür war er Hannibal! Der große Hannibal!“, sagte Sturmmann Schmelz und fragte dann, sich plötzlich über soviel Bildung wundernd: „Rottenführer, wenn Sie die Frage gestatten wollen, was machen Sie im Zivilen?“
    „Nicht gestattet, Sturmmann, belassen wir es einfach bei diesen einfachen Strukturen hier! Mich interessiert auch nicht, dass Sie degradiert worden sind.
    Wegen Ihrer Verletzung sollten Sie noch schnell zu unserem Stabsarzt gehen, Doktor Mengele“, sagte Grass und deutete auf Schmelz’ Gesicht, der ungläubig nachfragte.
    „Na, der Schnitt an Ihrer Wange da“, antwortete der Rottenführer, woraufhin sich Schmelz vorsichtig über die Wange strich und eine klaffende Wunde bemerkte, die etwa fünf Zentimeter lang war. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wie er zu dieser Wunde gekommen war und sah Rottenführer Grass ratlos an, der bedächtig erwiderte, als wäre es das Natürlichste der Welt: „Der erste Nachtfrost. Sie haben mit ungeschützter Wange geschlafen. Das Regenwasser und der Schneematsch haben sich in Ihre Poren gegraben, Sie waren zu erschöpft, um zu bemerken, dass die nasse Wange fror, und schwups, schon riss die Haut irgendwann auf, gesprengt vom gefrorenen Wasser. Aber keine Angst, brennen wird es erst, wenn die Haut taut. – Die Haut taut, schöner Klang! – Die Haut taut. – Aber im Ernst, lassen Sie sich einfach einen Bart wachsen, das hilft!“
    Sturmmann Schmelz nickte, jedoch blieb ihm keine Zeit mehr, zum Sanitäter zu gehen, da Hauptsturmführer Mann die Einheiten antreten ließ und sie abmarschbereit hielt.
    Der Marsch deines Lebens, dachte Sturmmann Schmelz, wenn du den überlebst, dann überlebst du alles! Was für einen Scheiß machen wir hier eigentlich? Sind wir Kinder, die Soldaten spielen, oder sind wir Soldaten, die Kinder sind?
    Wie alle anderen zog er noch einmal die Riemen des Rucksacks nach, so stramm wie möglich, denn nur, wenn der Rucksack eng aufliegt, hatte er gelernt, scheuert er nicht, und nur wenn er eng aufliegt, bekommt der Schweiß eine Möglichkeit, einen Film zu bilden. Auch den Stahlhelm, das Sturmgewehr und die Marschstiefel band er so fest wie möglich an sich.
    Sturmmann Schmelz erinnerte sich, was sein Ausbilder gesagt hatte, und er war ihm dankbar für diese Warnung: ‚Das Scheuern ist der wahre Feind des einfachen Soldaten. Das Abscheuern der Haut hat schon aus dem härtesten Mann einen Versager gemacht!‘
    Doktor Kurt Schmelz, mein Großvater also, beschrieb diese zwei Tage immer, als habe er Siebenmeilenstiefel angehabt: ‚Die zehn Kilometer durch flaches Gelände nach Illarionovo waren ein Klacks, da war ich noch gar nicht ganz wach. Auch die zwanzig Kilometer nach Sinelnikovo waren kaum der Rede wert, und auf den siebenunddreißig Kilometern nach Vasilkovka ging es zeitweise sogar ein wenig bergab, doch dann kam das Loch auf dem Weg nach Huliapole! Nichts als handtuchgroße Felder, fünfundsechzig Kilometer durch aufgeweichte Felder, und immer wieder die Grenzbäche, oft auch Flüsse, dieses Klein an Klein, immer wieder brachte es uns aus dem Rhythmus, und nichts ist schlimmer im Leben, als den Rhythmus zu verlieren, das kannst du einem wie mir ruhig mal glauben. Na ja, und als wir dann endlich Huliapole erreicht hatten, ließen wir uns einfach fallen, wo wir waren. Wir behielten die Stiefel an, denn hätte man sie ausgezogen, hätte man sie nie wieder über die geschwollenen Füße bekommen! Wir ließen uns also fallen, ein paar arme Teufel wurden zur Wache aufgestellt, und schliefen die ganze Nacht durch, ehe wir am nächsten Morgen schon gegen fünf Uhr auf dem Weg nach Polohy waren, fünfzehn Kilometer, die man wieder kaum gemerkt hatte. Die Qualen, die Schmerzen, das Fluchen und Schreien, das alles kam erst auf der Strecke nach Andriivka, die fünfzig Kilometer lang war. Fünfzig Kilometer, schon mal zu Fuß spaziert? Dachte ich mir! Ich war fast von Sinnen, der Körper war abgetrennt vom Geist, irgendwie, und von den letzten vierzig Kilometern nach Berdiansk weiß ich nur noch, dass die Sehnsucht unmenschlich wurde, die Füße in das verdammte Asowsche Meer zu stecken. Ich muss eine Menge Schwachsinn gedacht habe, aber die Sehnsucht nach diesem Meer, die hielt mich aufrecht. Ein Süßwassermeer, verstehst

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