Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH

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niederprasseln, das in der Lage sei, einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen, wie es sich Sturmmann Schmelz schnell eingestand.
    Immer wieder duckte er sich instinktiv, obwohl die Granaten fast zehntausend Meter hinter ihnen einschlugen. Sturmmann Schmelz war weiß im Gesicht, seine Hände zitterten, und das Einzige, was er denken konnte, war, was für ein scheiß Krieg dies doch sei. Wie hatte es ihn nur hierhin verschlagen können? Unter den Oberbefehl von Obergruppenführer Steiner? Sturmmann Schmelz steckte die Hände in die Taschen, auch um sie zu wärmen, während der drückende Nieselregen ihn immer weiter durchnässte.
    Gegnerische Scharfschützen nahmen die Stellung ins Visier, aber noch hatten sie sich nicht eingeschossen. Plötzlich erschien ein drei Mann starker Trupp eigener Scharfschützen. Die Männer sprangen in die vorbereiteten Löcher an der Uferböschung, tarnten sich im kalten und feuchten Sand, bis nur noch die Augen und die Mündungen der Gewehre zwischen dem Gestrüpp zu sehen waren, und nahmen ihrerseits die russischen Eulen aufs Korn, wie die Scharfschützen genannt wurden.
    „Schmelz, Munition fassen, los, los!“, brüllte Rottenführer Grass plötzlich, und sofort sprang der Sturmmann mit den anderen Männern nach hinten, robbte zum provisorischen Bunker und schleifte Munitionskisten zu den MGs, die sofort aufgerissen und entleert wurden.
    Die Russen schienen heute nicht aufzuhalten zu sein, meinte Schladowski ein wenig stolz zu sich selbst, während er auf sie feuerte. Er, der Finne und der junge Franzose ballerten ununterbrochen, um die Linie auf der Flussmitte zu halten, die der Feind nicht durchbrechen durfte. Fontänen spritzten zu Tausenden im Sekundentakt auf, auch die anderen Stellungen links und rechts neben ihnen hielten die Linie, diese verdammte Linie, aber immer schwieriger falle es ihnen an einigen Stellen, den Feind aufzuhalten, stellte Sturmmann Schmelz fest, und er sah die Unmengen von Leichen, die vom Fluss fortgespült wurden. Wie viel neues Menschenmaterial da doch immer wieder ins Wasser gejagt wurde! Sturmmann Schmelz staunte. Er bekam eine Ahnung von der ungeheuren Größe dieses russischen Bären, dessen Fell sie schon aufteilten, ehe sie ihn überhaupt erlegt hatten.
    Sturmmann Schmelz ließ sich ein Fernglas reichen und starrte in die verbissenen, von Hass erfüllten Gesichter der Sowjets. Alte, Junge, Gepflegte, Verwahrloste, Schmelz schien es, als müsse der Rest der Sowjetunion menschenleer sein. Wie sie rannten und schossen, stürmten und starben, aber noch hielt die unsichtbare, mit sauberen Gewehrsalven gezogene Linie auf dem Wasser des Dnepr.
    Doch plötzlich wühlten Granaten das westliche Ufer auf, an dem sich die Wikinger verschanzt hatten. Dutzende Maschinengewehrnester wurden in die Luft gewirbelt, während Rottenführer Grass ununterbrochen schrie, die Stellung sei zu halten, die Flieger kämen gleich, die Stellung sei zu halten, Nachschub wäre so gut wie da.
    Die Scharfschützen hatten nun keine Gelegenheit mehr, die russischen Eulen abzuschießen, auch sie mussten auf die immer näher Rückenden zielen, und alles in allem sehe es heute gar nicht so gut aus, schrie der Mexikaner dem Sturmmann Schmelz zu, der ernst nickte, als habe er schon Dutzende von Schlachten überlebt.
    „Heute setzen die nicht über, Männer!“, schrie Rottenführer Grass, der zum großen Moralisten avancierte: „Heute Abend wird ganz Russland seine Toten bejammern!“
    „Sowjetunion!“, schrie Schladowski wütend zurück, und gerade wollte er die Filterlose ausspucken, als ihn die Kugel einer Eule vom Bock fegte.
    Schmelz sah noch das kleine, rote Loch mitten auf der Stirn, knapp unterm Rand des Stahlhelms, ehe er einen harten Schlag zwischen den Schulterblättern spürte und Rottenführer Grass’ Stimme hörte, jetzt sei er an der Reihe, sich zu beweisen: „Ran an den Speck, du Sau!“
    „Scheiße! Unser neues Land!“, schrie der Finne, der links von Schmelz hinter einem MG saß und ununterbrochen feuerte: „Unser schönes, neues Land! Diese Drecksäcke!“
    „Los, los!“, schrie Schütze Walser, der links unten hockte, und die Patronenbänder locker hielt, damit sie beim Einziehen ins Gewehr nicht kanteten und so für Ladehemmungen sorgen konnten: „Mach schon, Richter! Gib’s ihnen!“
    Die ersten Salven setzte Sturmmann Schmelz in den Himmel, und obwohl er die Abschussvorrichtung an beiden Griffen festhielt und sich mit den Knien gegen die