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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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habe er nichts gehört.
    »Dann ist er also aus Reno zurück«,
meinte ich dazu. »Auch wenn ihre Dachfenster heute nicht pünktlich fertig werden,
habe ich mein Haus jetzt wieder für mich allein. Bestimmt wird sie sein Bett
meinem Gästezimmer vorziehen.«
    »Bestimmt. Aber, Shar, eines wird dir
nicht gefallen: Willie deutete mir gegenüber an, er habe ihr einen Diamantring
mitgebracht.«
    »Die Eröffnung des neuen Geschäfts muß
ein Riesenerfolg gewesen sein. Mein Gott, und wenn Sie ihn tatsächlich
heiratet?« Aber ich wollte nicht weiter über diese Möglichkeit nachdenken.
Schließlich hatte ich mit Rae schon einmal das Ende ihrer ersten unglücklichen Beziehung
durchlitten.
    »Wenn sie das tut«, sagte Jack,
»sollten wir sie vor Gericht bringen. Früher gab es in diesem Staat ein Gesetz,
das einem für plötzliches Überschnappen fünfzig Dollar Strafe aufbrummte. Ob es
wohl noch gilt?« Er brach ab und fragte dann: »Bist du auf dem Weg zurück ins
Büro?«
    Das hatte ich vorgehabt, aber jetzt
sagte ich schnell nein. Mein Magen konnte nicht schon wieder ein
Mikrowellen-Gericht am Schreibtisch verkraften. Ich wollte mich nicht den
Malern aussetzen, die mich durch alle Fenster idiotisch angrinsten. Und ganz
bestimmt würde ich Raes Verzückung nicht ertragen, sollte sie tatsächlich mit
einem Diamanten vom Lunch zurückkehren. »Bis auf weiteres bin ich zu Hause zu
erreichen«, sagte ich Jack.
    An der Fischtheke im Safeway kaufte ich
einen Becher marinierter Muscheln und legte außerdem ein frisch gebackenes
Sauerteigbrötchen und eine große Portion Birneneis in meinen Einkaufskorb. Wenn
du schon schwänzt, sagte ich mir, dann wenigstens mit Stil.
    An der Ecke Dreißigste Straße und Church
Street hatte es einen Zusammenstoß zwischen der Straßenbahn und einem
Lieferwagen gegeben, und die Zufahrt zu meinem Haus am schmalen Ende der Church
Street, wo die Gleise enden, war blockiert. Ich mußte einen Umweg in südlicher
Richtung fahren, und als ich schließlich vom anderen Ende her meine Straße
wieder erreichte, mißmutig und hungrig, war seit meinem Gespräch mit Jack fast
eine ganze Stunde vergangen.
    Und da stand, mitten vor meinem Haus,
ein großer grauer Lincoln Towncar, dessen schwarzgekleideter Fahrer nicht zur
Kenntnis zu nehmen schien, daß er einer Reihe meiner Nachbarn ziemlich im Wege
war. Zudem blockierte er auch noch meine Einfahrt. Ich hielt an und stemmte
mich gestikulierend auf meine Hupe.
    Der Fahrer sah auf und sagte dann etwas
zu jemandem auf dem Rücksitz.
    Ich steckte den Kopf aus dem Fenster
und rief: »Sie blockieren meine Einfahrt!«
    Er ignorierte mich und redete weiter
mit seinem Fahrgast. Wer war dieser Mensch, der mir meine Zufahrt versperrte —
und mich von meinem lange überfälligen Lunch abhielt? Ich lehnte mich noch
weiter aus dem Fenster und polterte: »Fahren Sie die gottverdammte Kiste da
weg!«
    Meine Nachbarin von gegenüber
versuchte, aus ihrer Einfahrt heraus zukommen und machte mir mit
erhobenem Daumen ein Zeichen. Der Fahrer des Lincoln sah sich mit gerunzelter
Stirn um. Dann ließ er den Motor an und setzte ein paar Zentimeter zurück.
    Ich lenkte meinen MG in die Einfahrt,
griff nach der Einkaufstüte und stieg aus. Der Lincoln-Fahrer stand nun an der
Hintertür seines Wagens und öffnete sie. Ich ging langsam hinüber und sagte:
»Sehen Sie, wie vielen Leuten Sie Ärger bereiten, wenn Sie so eine enge Straße
blockieren?«
    Der Fahrer zuckte mit den Schultern und
wandte sich dem Mann zu, der gerade aus dem Wagen stieg.
    Er war vielleicht siebzig und groß und
schlank. Sein faltiges Gesicht strahlte Intelligenz und Nachdenklichkeit aus.
Er hatte volles weißes Haar und harte graue Augen, die gar nicht erst
versuchten, ihren arroganten Ausdruck zu verschleiern. Da ich sein Foto schon in
den Zeitungen gesehen hatte, wußte ich, daß Richter Joseph Stameroff vom
Obersten Gericht des Staates Kalifornien vor mir stand.
    Stameroff beugte sich mit seiner langen
Nase zu mir, dann sah er auf die Straße. Sein Blick blieb am Wagen meiner
Nachbarin hängen, deren hintere Stoßstange den Lincoln fast berührte. Sein
Gesichtsausdruck zeigte deutlich, wie unangenehm ihm der Besuch eines solchen
Ortes war.
    Er brachte meinen Zorn zum Überkochen.
»Sagen Sie Ihrem Fahrer, er soll weiterfahren«, sagte ich. »Wo, zum Teufel,
haben Sie Ihre Manieren her — aus der Baumschule? «
    Auf den Backenknochen des Richters
erschienen kleine rote Flecken. »Und Sie, junge Frau, wo hat

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